Vergewaltigung, § 177 Abs.6 StGB

Sexualdelikte sind immer besonders emotional und sensibel. Die Anschuldigung einer Vergewaltigung nach § 177 Abs.6 StGB kann das Leben des Beschuldigten, aber auch das des mutmaßlichen Opfers, nachhaltig beeinflussen. In diesem Beitrag beleuchten wir den Straftatbestand der Vergewaltigung aus Sicht des Strafverteidigers.


Was besagt § 177 Abs.6 StGB genau?

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

  1.  der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), 



Wann liegt also eine Vergewaltigung vor?

§ 177 Abs.6 StGB definiert den besonders schweren Fall der Vergewaltigung, welcher in der Regel dann gegeben ist, wenn der Täter beim sexuellen Übergriff oder bei der sexuellen Nötigung mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (z. B. durch Einführen von Gegenständen).


Welche Voraussetzungen müssen für eine Strafbarkeit nach § 177 Abs.6 StGB erfüllt sein?

  1. Vorliegen eines sexuellen Übergriffs oder einer sexuellen Nötigung.
  2. Vollziehung des Beischlafs oder eine dem Beischlaf ähnliche Handlung, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist. 


Was versteht man unter Beischlaf und Eindringen in eine Körperöffnung?

  • Beischlaf: Im juristischen Sinne wird unter Beischlaf der Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und einer Frau verstanden. Hierbei steht das Eindringen des männlichen Glieds die Scheide der Frau im Vordergrund.
  • Eindringen in eine Körperöffnung: Darunter fällt neben dem oralen oder analen Geschlechtsverkehr auch das Einführen von Gegenständen oder Körperteilen in diese Körperöffnungen. Je nach Situation muss konkret bewertet werden, ob das Eindringen von etwas besonders erniedrigenden Charakter hat.



Welche Fragen stellt die Gesellschaft im Kontext von § 177 Abs.6 StGB?

Warum ist das Eindringen in eine Körperöffnung so relevant im Strafrecht?

Das Eindringen in eine Körperöffnung, ob vaginal, anal oder oral, gilt als besonders erniedrigend und hat daher einen hohen Unrechtsgehalt. Dies spiegelt die Schwere des Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers wider.


Wie unterscheidet sich die Strafe für einen besonders schweren Fall von der eines "normalen" Falles?

Ein besonders schwerer Fall sieht in der Regel eine höhere Strafe vor. Während bei "einfachen" Fällen Freiheitsstrafen von "6 Monaten bis zu 5 Jahren" (sexueller Übergriff) oder "mindestens einem Jahr" (sexuelle Nötigung) drohen, sind es bei besonders schweren Fällen "nicht unter zwei Jahren".

Was passiert, wenn der Beschuldigte unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand?

Auch wenn Alkohol oder Drogen die Hemmschwelle herabsetzen können, entbinden sie nicht von der strafrechtlichen Verantwortung. Allerdings können sie im Einzelfall das Strafmaß beeinflussen. Bei einer bestimmten Einflussintensität kann die Schuldfähigkeit stark in Zweifel gezogen werden.



Strafverteidigung

Das Thema Vergewaltigung ist nicht nur gesellschaftlich hochsensibel, sondern auch juristisch von großer Tragweite. Wenn jemand wegen eines Sexualdelikts angeklagt wird, insbesondere gemäß § 177 Abs.6 StGB, kann das enorme Auswirkungen auf das Leben des Beschuldigten haben – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Dieser Blogeintrag bietet einen Einblick in die Herausforderungen und Strategien der Strafverteidigung in solchen Fällen.

Die Verteidigung in Fällen von Vergewaltigung nach § 177 Abs.6 StGB ist eine komplexe und sensible Aufgabe. Dennoch ist es das Recht jedes Beschuldigten, eine kompetente Verteidigung zu erhalten, um eine gerechte Verhandlung sicherzustellen. 


Welche Verteidigungsstrategien stehen zur Verfügung?

  1. Beweisanfechtung/Glaubwürdigkeitsprüfung: Eine kritische Überprüfung der Beweismittel und -mittel der Anklage kann auf Inkonsistenzen oder Fehler hinweisen. Die Glaubwürdigkeit der Aussage des Opfers kann in Frage gestellt werden, wenn es zu Widersprüchen oder Unklarheiten kommt.
  2. Rekonstruktion des Tathergangs: Eine genaue Analyse des mutmaßlichen Tathergangs kann entlastende Faktoren für den Beschuldigten hervorbringen.
  3. Gutachterliche Stellungnahmen: Medizinische oder psychologische Gutachten können sowohl den Gesundheitszustand des Beschuldigten als auch das Verhalten des Opfers beleuchten und so neue Perspektiven in den Fall bringen.
  4. Angriff der Vorsätzlichkeit: Der Täter muss die Tatumstände erkannt haben und dennoch danach gehandelt haben. Bestehen hieran Zweifel, fehlt es am erforderlichen Tatvorsatz.
  5. Medizinische Befunde: Oft werden medizinische Untersuchungen herangezogen, um physische Spuren der Tat zu finden oder auszuschließen.
  6. Zeugenaussagen: Zeugen, die vor, während oder nach der mutmaßlichen Tat Kontakt mit den Beteiligten hatten, können wertvolle Informationen liefern. 
  7. Darstellung des sozialen und persönlichen Hintergrunds: Der Lebensweg, der Charakter und die sozialen Beziehungen des Beschuldigten können eine Rolle spielen, um das mutmaßliche Tatgeschehen in einen Gesamtkontext zu stellen.
  8. Aktive Prozessführung: Ein proaktiver Verteidigungsansatz, bei dem der Verteidiger den Anklagevorwurf konsequent hinterfragt, kann entscheidend sein. 


Welche Herausforderungen ergeben sich für die Verteidigung?

  1. Öffentliche Vorverurteilung: Beschuldigte stehen oft schon vor Prozessbeginn am Pranger der Öffentlichkeit. Dies kann das Verfahren beeinflussen und den Druck auf alle Beteiligten erhöhen.
  2. Emotionale Belastung: Für den Angeklagten, aber auch für den Verteidiger, ist die emotionale Belastung enorm.
  3. Komplexität der Beweisführung: Häufig handelt es sich um Aussage-gegen-Aussage-Situationen, die die Wahrheitsfindung erschweren. 


Die Verteidigung bei Anklagen gemäß § 177 Abs.6 StGB ist eine der größten Herausforderungen im Strafrecht. Ein erfahrener Strafverteidiger muss sowohl juristisch versiert als auch menschlich einfühlsam agieren, um den bestmöglichen Ausgang für seinen Mandanten zu erzielen.