Sexuelle Nötigung, § 177 Abs.5 StGB
Das deutsche Strafrecht und seine Anwendung in der Praxis sind oft komplex und für Laien schwer verständlich. Besonders heikel sind Strafverfahren, die sich auf besonders sensible Delikte wie sexuelle Nötigung beziehen. Als Strafverteidiger ist es unsere Pflicht, das Recht jedes Individuums auf eine faire Verteidigung zu gewährleisten.
Die Thematik der sexuellen Nötigung und speziell der Gebrauch von K.O. Tropfen erzeugt in der Öffentlichkeit große Besorgnis. Als Strafverteidiger begegnen wir solchen Anklagen mit großem Respekt und einer tiefen Verpflichtung zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.
Was besagt § 177 Abs.5 StGB konkret?
Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
- dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
- eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
Wann liegt also eine sexuelle Nötigung vor?
§ 177 Abs.5 StGB betrifft die Strafbarkeit von sexueller Nötigung. In diesem Absatz wird die Verwendung von Gewalt, Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers als Mittel zur Erzwingung von sexuellen Handlungen thematisiert.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Strafbarkeit nach § 177 Abs.5 StGB erfüllt sein?
- Es muss ein sexuelle Übergriff gemäß Abs.1 oder 2 vorliegen. Liegt eine solche Situation nicht zugrunde, scheidet eine Strafbarkeit auch bei Gewaltanwendung aus. Dies war nach alter Gesetzeslage im Übrigen nicht erforderlich. Es Nach derzeitiger Rechtslage braucht es also trotz der Nötigungshandlung den erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers (zum Beispiel verbal oder durch Gegenwehr) oder eine besondere Lage ohne Möglichkeit der Willensbildung.
Letzteres kann tatsächlich je nach Einzelfall bei Schockstarren angenommen werden, wenn das Opfer dadurch tatsächlich willensunfähig wird. Ist man lediglich verängstigt durch die Gewaltanwendung, könnte theoretisch also den entgegenstehenden Willen äußern, aber lässt einen gegenstehenden Willen auf keine Art und Weise erkennen, führt dies zu absurden Strafbarkeitslücken. - Die sexuelle Handlung wurde durch Gewalt, Drohung oder Ausnutzen einer schutzlosen Lage erzwungen.
- Der Täter muss die Situation auch als eine solche Nötigungssituation erkennen. Es muss ihm darauf ankommen, mit dem Nötigungsmittel z.B. der Gewalt/Drohung, die sexuelle Handlung zu erreichen. Kritisch kann dies insbesondere dann sein, wenn "härterer Sex" in einer Beziehung bisher normal und gewollt war.
Wie definieren sich Gewalt, Drohung und schutzlose Lage in diesem Kontext?
- Gewalt: Physische Kraftanwendung, um den Willen des Opfers zu überwinden.
- Drohung: Ankündigung eines zukünftigen Übels, um das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu bewegen.
- Schutzlose Lage: Eine Situation, in der das Opfer der Handlung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, z.B. aufgrund von K.O. Tropfen.
Beispiele für Gewalt
- Festhalten der Hände
- Beiseitedrücken abwehrender Hand (BGHSt 35, 78)
- Einsperren in Raum (BGH NStZ 00, 419)
- Auseinanderdrücken Beine (BGH NStZ 90, 335)
- Legen auf das Opfer, Niederdrücken durch Eigengewicht
- Verabreichen von KO-Tropfen o.ä. ohne Einwilligung
Nicht ausreichend: Gewalt gegen Sachen ohne unmittelbare Zwangswirkung auf das Opfer.
Was sind K.O. Tropfen und wie werden sie im Kontext von § 177 Abs.5 StGB betrachtet?
K.O. Tropfen sind Substanzen, die eingenommen eine starke sedierende Wirkung haben und das Bewusstsein trüben oder sogar zu Bewusstlosigkeit führen können. Sie können ohne Wissen des Opfers in Getränke gemischt werden. Der Einsatz von K.O. Tropfen kann als Mittel zur Erzwingung von sexuellen Handlungen betrachtet werden, indem er eine schutzlose Lage des Opfers schafft. Teilweise wird vertreten, dass die Tatvariante der Gewaltanwendung durch die Anwendung von K.O. Tropfen vorliegt.
Welche Verteidigungsstrategien gibt es in Verfahren wegen sexueller Nötigung?
- Beweisanfechtung/Glaubwürdigkeitsbewertung: Die Glaubwürdigkeit und Konsistenz der Aussagen des Opfers können in Frage gestellt werden. Es kann argumentiert werden, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich waren und eine entsprechende Nötigungssituation gerade nicht vorlag. Das Fehlen von toxikologischen Beweisen für den Einsatz von K.O. Tropfen kann eine Verteidigungsstrategie darstellen.
- Rechtslage: Die Situation muss für eine Verurteilung von der erheblichen Nötigungssituation des Gesetzes umfasst sein. Diese Anforderungen sind hoch.
- Suche nach entlastenden Beweisen: Dies kann die Vorlage von Alibis, Kommunikationsverläufen oder Zeugenaussagen beinhalten, die die Darstellung des Angeklagten stützen.
Wie kann man feststellen, ob K.O. Tropfen eingesetzt wurden?
Ein toxikologisches Gutachten kann Hinweise auf das Vorhandensein von Substanzen im Körper des Opfers liefern, die als K.O. Tropfen verwendet werden könnten. Allerdings ist die Nachweisdauer oft kurz, sodass ein schnelles Handeln erforderlich wäre. Dies macht die Beweislage angreifbar.
Warum ist eine effektive Verteidigung so wichtig?
Es besteht kein Zweifel, dass Opfer von sexueller Nötigung Gerechtigkeit verdienen. Doch ebenso verdient jeder Angeklagte eine faire und umfassende Verteidigung. Dies ist ein Grundpfeiler des Rechtssystems. Fehlurteile können Leben zerstören, und daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Anklage sorgfältig geprüft wird.
Welche Herausforderungen stehen in solchen Fällen im Vordergrund?
- Emotionale Belastung: Solche Fälle sind emotional hoch aufgeladen. Als Verteidiger muss man sowohl die emotionalen Aspekte als auch die rein sachlichen Beweise in Einklang bringen.
- Beweislage: Oft basieren Anklagen auf der Aussage des Opfers gegen die des Angeklagten. Die Bewertung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen kann entscheidend sein.
- Öffentliche Meinung: Die öffentliche Wahrnehmung kann den Verlauf eines Verfahrens beeinflussen. Ein guter Verteidiger wird versuchen, Vorverurteilungen in den Medien zu verhindern oder zu begrenzen.
Die Strafverteidigung bei Anklagen wegen sexueller Nötigung gemäß § 177 Abs.5 StGB ist ohne Frage eine der anspruchsvollsten Aufgaben im Strafrecht. Es erfordert Fachwissen, Erfahrung, Einfühlungsvermögen und Entschlossenheit. Aber in einem System, das auf dem Grundsatz der Unschuldsvermutung basiert, ist es unerlässlich, dass jeder Angeklagte, unabhängig von der Schwere der Anklage, die bestmögliche Verteidigung erhält.