Missbrauch und Sexualdelikte, §§ 174 ff. StGB

Sexualdelikte werden gesetzlich auch "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" genannt. Die unterschiedlichen Tatmöglichkeiten können für den Laien einigermaßen ähnlich klingen und werden daher häufig vertauscht. 

Unter Strafe gestellt werden rechtswidrige Tathandlungen rund um sexuelle Handlungen. Dabei müssen die sexuellen Handlungen eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten haben. Dies bemisst sich im konkreten Einzelfall, damit eine Handlung zu einer Missbrauchshandlung wird. Die Rechtsprechungen blühen hier in Hülle und Fülle.


"nein = nein" 

Deutlich wird, dass im Gegensatz zu manch anderen Ländern hierdurch das allgemeine Konzept "nein = nein" gesetzlich festgelegt wurde: 
Eine sexuelle Handlung ist dann verboten, wenn man kundtut, dass diese gegen den eigenen Willen geschieht. Andere Länder legalisieren sexuelle Handlungen erst nach ausdrücklichen Einverständnis (ja = ja).  
Ausnahmsweise sind hier in Deutschland sexuelle Handlungen auch ohne Kundgabe des entgegenstehenden Willens unter Strafe gestellt, wenn besondere Begleitumstände vorliegen (vgl. §177 Abs.2 StGB und alle damit verbundenen Delikte), also das Opfer insb. in dieser konkreten Situation nicht in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern oder der Wille durch Nötigung gebeugt bzw. gebrochen wird. 

Das Gesetz erwartet also von einem Opfer quasi, dass wenn man noch in der Lage ist, einen Willen zu bilden, diesen auch erkennbar äußern muss, damit eine Strafbarkeit entsteht. 



Sexueller Übergriff, § 177 Abs.1, 2 StGB

Die Vornahme sexueller Handlungen ...

  1. gegen den (nach außen erkennbaren) Willen des Opfers, §177 Abs.1 StGB oder
  2. unter Ausnutzen oder Herstellen von Willensproblemen beim Opfer, §177 Abs.2 StGB


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Sexuelle Nötigung, § 177 Abs.5 StGB

Ein sexueller Übergriff gem. §177 Abs.1 oder 2 StGB unter Anwendung von Gewalt, Drohung oder Ausnutzung einer schutzlosen Lage.


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Besonders schwere Formen

  • Vergewaltigung: Daneben gibt es noch die spezielleren Ausprägungen des sexuellen Übergriffs oder der sexuellen Nötigung in Form der Vergewaltigung. Eine solche liegt mit Eindringen in eine Körperöffnung vor, § 177 Abs.6 S.1 Nr.1 StGB.
  • Gemeinschaftliche Begehung: Gemäß § 177 Abs.6 S.1 Nr.2 StGB ist auch die gemeinschaftliche Begehung eine besonders schlimme Begehungsform.
  • Auch §§ 177 Abs. 7 und 8, 178 StGB stellen herausragend schlimme Formen der sexuellen Straftaten unter entsprechender Strafandrohung dar. Hierunter fallen Begehungsweisen mit Waffen, körperlichen Misshandlungen und Gesundheitsschädigungen sowie die Todesfolge.


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Spezielle Missbrauchsdelikte

Sexualdelikte gegenüber Kindern (§§ 176 ff. StGB), Schutzbedürftigen oder Hilfsbedürftigen (§§ 174 ff. StGB) werden gesetzlich besonders hervorgehoben und härter bestraft. 


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Sexuelle Belästigung

In §184i StGB ist die sexuelle Belästigung unter Strafe gestellt. Sexuelle Belästigung liegt nach dem Gesetzeswortlaut vor, wenn eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt wird. 

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Exhibitionismus

§183 StGB stellt das Entblößen der männlichen Genitalien in der Öffentlichkeit unter Strafe. Derartige Handlungen gehen nicht selten mit dem starken Verlangen einher, dadurch sexuell erregt zu werden. Hierbei spielt der Gedanke, von anderen Leuten während der sexuellen Aktivität beobachtet zu werden, eine zentrale Rolle. Interessanterweise wird hier nur das entsprechende Verhalten von Männern kriminalisiert.
 

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Pornographiedelikte

Ja - Pornographie kann strafbar sein. Das Schauen von herkömmlicher Erwachsenenpornographie fällt als erwachsene Person jedoch eher nicht darunter.
Von Sexualdelikten sind pornographische Delikte umfasst, also beispielsweise der Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie (§184b StGB), Verbreitung von Jugendpornographie (§ 184c StGB) oder die Verbreitung von Pornographie ohne Zustimmung der Zielperson (§ 184 StGB).

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Gesetzeswortlaut des § 177 StGB

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.


(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

  1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
  2. der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
  3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
  4. der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
  5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.


(3) Der Versuch ist strafbar.


(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.


(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

  1. gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
  2. dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
  3. eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.


(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

  1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
  2. die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.


(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

  1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
  2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
  3. das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.


(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

  1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
  2. das Opfer

a)bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.


(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen. 



Besonderheiten von Sexualstrafverfahren

Bei der Verteidigung von Sexualdelikten sind folgende Aspekte zu beachten:

Die Beweislage: Die Beweislage in Sexualdelikten ist oft schwierig. Die Staatsanwaltschaft muss in der Regel die Tathandlung, die Täterschaft des Angeklagten und die fehlende Einvernehmlichkeit mit dem Opfer oder dessen Willensprobleme beweisen. Eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zwischen Beschuldigtem und Opferzeugin kann die Beweislage erheblich erschweren. In einer Situation von "Aussage gegen Aussage" besteht immer die Gefahr, dass ein Unschuldiger verurteilt oder ein Schuldiger freigesprochen wird.

  • Die Rechtslage: Die Rechtslage in Sexualdelikten ist komplex. Es ist wichtig, sich mit der aktuellen Rechtsprechung vertraut zu machen. Sexualdelikte werden nur von wenigen Anwälten verteidigt und nur eine Hand voll sind darauf tatsächlich spezialisiert. Aufgrund der schwierigen Beweislage ist es besonders wichtig, ein Auge für die entscheidenden Details und rechtlichen Besonderheiten zu haben. Eine sichere Kenntnis der Rechtsprechung ist essenzielle Grundlage für eine saubere Verfahrensführung. Ein strategisch gelungenes Vorgehen ist wichtig für eine zielführende Vernehmung der Opferzeugin.
  • Die Interessen des Mandanten: Wir müssen die Interessen unseres Mandanten im Auge behalten. Dies kann bedeuten, dass wir uns für eine Einstellung des Verfahrens oder für eine mildere Strafe einsetzen. Gerade bei dem Vorwurf der Sexualdelikte sehen sich die Beteiligten mit Stigmata konfrontiert, sobald die Öffentlichkeit Kenntnis vom Ermittlungsverfahren erhält. Dies gilt es, bestmöglichst zu unterbinden.



Spezifische Schwierigkeiten in Aussage-gegen-Aussage-Situationen

Besonderheiten an diesen Strafverfahren ergeben sich vor allen Dingen daraus, dass in aller Regel die Delikte nur zwischen Täter und Opfer stattfinden und so bei den Beweisverfahren eine "Aussage gegen Aussage" Situation vorliegt. Selten sind andere Zeugen anwesend. Diese Verfahrenssituation kann jedoch prozessual beeinflusst werden.


Das Opfer behauptet, dass es Opfer einer sexuellen Straftat geworden ist, der Angeklagte bestreitet die Tat. In diesen Fällen ist es für die Staatsanwaltschaft oft schwierig, die Täterschaft des Angeklagten zu beweisen.

Die Aussage des Opfers ist in der Regel das wichtigste Beweismittel in einem Sexualdeliktsverfahren. Die Aussage des Opfers kann jedoch durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, z. B. durch die Erinnerungsleistung des Opfers, durch die Traumatisierung des Opfers oder durch die Einflussnahme Dritter.

Die Aussage des Angeklagten kann ebenfalls wichtig sein, um die Täterschaft des Angeklagten zu widerlegen. Die Aussage des Angeklagten kann jedoch durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, z. B. durch die Erinnerungsleistung des Angeklagten oder durch die Absicht, sich selbst zu schützen.

Bedeutung von Aussagepsychologischen Gutachten

Aussagepsychologische Gutachten können bei der Bewertung der Aussage des Opfers und des Angeklagten hilfreich sein. Aussagepsychologische Gutachten werden von Sachverständigen erstellt, die sich mit der Glaubwürdigkeit von Aussagen auskennen.

In einem Aussagepsychologischen Gutachten wird untersucht, ob die Aussage des Opfers oder des Angeklagten glaubwürdig ist. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, z. B. die Inhaltsvalidität der Aussage, die Reaktion des Opfers oder des Angeklagten auf die Befragung und die Motivation des Opfers oder des Angeklagten.


Fazit

Sexualdelikte sind komplexe Straftaten, die mit erheblichen Folgen für die Betroffenen verbunden sind. Die Verteidigung von Sexualdelikten erfordert besondere Kenntnisse und Erfahrung. Sexualdelikte sind ein komplexer und emotional aufgeladener Bereich des Strafrechts. Während der Schutz der Opfer von entscheidender Bedeutung ist, muss auch sichergestellt werden, dass die Rechte der Angeklagten nicht verletzt werden oder nicht ein Unschuldiger verurteilt wird. Ein ausgewogenes, faires und gerechtes Verfahren ist im Interesse aller Beteiligten.