Körperverletzung in Strafverfahren

 

Körperverletzung ist im deutschen Strafrecht ein Verbrechen oder Vergehen, das durch die körperliche Misshandlung oder die gesundheitliche Schädigung einer anderen Person gekennzeichnet ist. Der Tatbestand ist in den §§ 223 bis 231 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt.


Definition

§ 223 StGB definiert Körperverletzung wie folgt: Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Körperverletzung liegt demnach vor, wenn eine Person eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt.

Denkbar sind Körperverletzungskonstellationen zum Beispiel bei Angriffen mit Notwehr, Angriffe auf Personen, die sich nicht wehren, gegenseitigen Körperverletzungen zwischen zwei Personen oder Schlägereien zwischen mehreren Personen. 


Misshandlung

Misshandlung ist jede rechtswidrige, körperliche Einwirkung auf den Körper einer anderen Person, die nicht nur von geringer Bedeutung ist. Sie kann durch Schläge, Tritte, Bisse, Kratzer, Würgen, Verbrennungen oder andere körperliche Gewaltanwendung erfolgen.

Gesundheitsschädigung

Gesundheitsschädigung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit einer anderen Person. Sie kann durch Verletzungen, Krankheiten oder andere Beeinträchtigungen der körperlichen oder geistigen Funktionen verursacht werden.


Das Gesetz kennt zahlreiche Körperverletzungsdelikte

  • Die einfache Körperverletzung nach §223 StGB liegt vor, wenn ein anderer Mensch wissentlich und gewollt an der Gesundheit geschädigt wird.
  • Dann gibt es die gefährliche Körperverletzung nach §224 StGB, wonach diese beschriebene Körperverletzung auf besonders verwerfliche Weise entstanden ist (die Möglichkeiten stehen ähnlich wie beim Mord mit im Gesetz).
  • Dann gibt es noch die Misshandlung von Schutzbefohlenen nach §225 StGB, wobei besonders hilfsbedürftige Personen in ihrer Gesundheit geschädigt werden.
  • Die schwere Körperverletzung nach §226 StGB entsteht, wenn eine Person nicht nur an der Gesundheit geschädigt wird, sondern darüber hinaus aufgrund dieser Körperverletzung eine sogenannte "schwere Folge" entsteht, beispielsweise wenn aufgrund der Körperverletzung die Fortpflanzungsfähigkeit entfällt.
  • §226a StGB beinhaltet die weibliche Genitalverstümmelung, in vielen Kulturen auch "weibliche Beschneidung" genannt. In Deutschland ist diese aufgrund des grausamen Vorganges und der erheblichen gesundheitlichen Folgen verboten.
  • §227 StGB beinhaltet die Körperverletzung mit Todesfolge. Hierbei ist es besonders entscheidend, dass die Todesfolge aufgrund der Körperverletzung entstanden ist, wobei quasi das primäre Ziel die Körperverletzung war und die Todesfolge in dem Sinne "nur eine Nebenwirkung". 
  • §229 StGB umfasst die fahrlässige Körperverletzung. Also die Schädigung an der Gesundheit, die nicht wissentlich oder gewollt war, sondern vielmehr aufgrund erforderlicher Unachtsamkeit entstanden ist.



Wichtigste Arten von Körperverletzung

Körperverletzung kann in verschiedene Arten unterteilt werden, die sich nach der Schwere der Tat und den Umständen der Begehung unterscheiden.


Einfacher Fall

Der einfache Fall der Körperverletzung ist in § 223 StGB geregelt. Er wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Gefährliche Körperverletzung

Die gefährliche Körperverletzung ist in § 224 StGB geregelt. Sie liegt vor, wenn die Körperverletzung


  • durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
  • mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
  • mittels eines hinterlistigen Überfalls,
  • mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
  • mit einem anderen Beteiligten aus niedrigen Beweggründen


begangen wird. Sie wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Hierbei handelt es sich um ein schweres Vergehen.


Schwere Körperverletzung

Die schwere Körperverletzung ist in § 226 StGB geregelt. Sie liegt vor, wenn die Körperverletzung

  • den Tod des Opfers zur Folge hat,
  • eine Lebensgefahr für das Opfer verursacht,
  • das Opfer auf Dauer in seiner Arbeitsfähigkeit oder seinen körperlichen Funktionen erheblich beeinträchtigt oder
  • das Opfer auf Dauer entstellt oder in seiner Fortpflanzungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt


hat. Sie wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Es handelt sich also um ein Verbrechen.


Körperverletzung mit Todesfolge

Die Körperverletzung mit Todesfolge ist in § 227 StGB geregelt. Sie liegt vor, wenn eine Körperverletzung den Tod des Opfers zur Folge hat. Sie wird mit Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren bestraft.


Besonderheiten in Körperverletzungsverfahren

Körperverletzungsverfahren haben einige Besonderheiten, die sich aus der Art der Tat und den damit verbundenen Folgen ergeben. Es gibt mindestens zwei Personen, zwischen denen eine Körperverletzungshandlung stattgefunden haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, wen sie hierbei als Beschuldigten anklagt und wer als Opferzeuge herhalten muss. Manchmal gibt es dazu gegenläufige Verfahren, da in den meisten Fällen gar nicht so eindeutig ist, wer das Opfer ist und wer der Täter.
Dabei ist anhand der vorhandenen Beweismittel, der Zeugenaussage des vermeintlichen Opfers - und oftmals der Einlassung des Beschuldigten - der Sachverhalt bestmöglichst aufzuklären. Nicht selten muss rekonstruiert werden, wer wen angegriffen haben könnte, wer Notwehr geübt haben könnte, wer welche Handlung ausgeführt haben könnte. 


Opferschutz

In Körperverletzungsverfahren ist der Opferschutz von besonderer Bedeutung. Man hat ein konkretes Opfer, welches als Zeuge oder Nebenkläger am Verfahren teilnimmt. Das Gericht kann daher Maßnahmen zum Schutz des Opfers anordnen.
 

Beweissicherung

In Körperverletzungsverfahren ist es wichtig, die Beweise frühzeitig zu sichern. Dazu gehören z. B. die Vernehmung des Opfers, die Begutachtung der Verletzungen und die Sicherstellung von Beweismitteln, wie z. B. Kleidungsstücken oder Tatwerkzeugen.

Zeugenaussagen sind in Körperverletzungsverfahren von besonderer Bedeutung, da sie oft die einzige Möglichkeit sind, den Tathergang und die Schuld des Täters zu rekonstruieren.

In manchen Fällen ist das Opfer der Körperverletzung nicht in der Lage, den Tathergang selbst zu schildern. Dies kann daran liegen, dass das Opfer zu traumatisiert ist, um sich an den Tathergang zu erinnern, oder dass das Opfer selbst nicht anwesend war, als die Körperverletzung begangen wurde.

In diesen Fällen ist eine Zeugenaussage von entscheidender Bedeutung, um den Tathergang aufzuklären. Zeugen können zum Beispiel beschreiben, wie die Körperverletzung begangen wurde, wer die Beteiligten waren und welche Verletzungen das Opfer erlitt.

Auch wenn das Opfer selbst in der Lage ist, den Tathergang zu schildern, kann eine Zeugenaussage wichtige Details liefern, die das Opfer vielleicht vergessen hat oder die es nicht aus eigener Sicht wahrnehmen konnte.

Zeugenaussagen sind daher in Körperverletzungsverfahren unverzichtbar. Sie können dazu beitragen, den Täter zu überführen und das Opfer zu schützen.

In Körperverletzungsverfahren gibt es einige Besonderheiten bei Zeugenaussagen zu beachten.

  • Aussage gegen Aussage: In vielen Fällen steht Aussage gegen Aussage. In diesen Fällen ist es für das Gericht besonders schwierig, die Wahrheit zu ermitteln.
  • Opferschutz: Zeugen in Körperverletzungsverfahren sind oft auch Opfer der Tat. Daher ist es je nach Situation wichtig, dass sie vor dem Täter geschützt werden.
  • Beweissicherung: Zeugenaussagen sollten frühzeitig gesichert werden. Dies kann durch die Vernehmung des Zeugen bei der Polizei oder durch die Aufnahme einer Videovernehmung erfolgen. 



Verfahrensdauer

Körperverletzungsverfahren können sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Dies liegt daran, dass die Beweissicherung und die Verhandlung oft sehr zeitaufwendig sind.


Typische Verteidigungsstrategien in Körperverletzungsverfahren

Der Vorwurf der einfachen oder gefährlichen Körperverletzung ist ernst und kann erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eine effektive Verteidigungsstrategie muss sowohl die spezifischen Umstände des Falls als auch die rechtlichen Grundlagen berücksichtigen. Hier werden verschiedene Verteidigungsstrategien für beide Tatvorwürfe beschrieben.

Anfechtung der Tatbestandsmerkmale

  • Tathandlung: Es muss nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt hat. Wenn diese Handlung nicht nachweisbar ist oder es an Beweisen fehlt, kann die Anklage möglicherweise entkräftet werden.
  • Kausalität und Vorsatz: Der Verteidiger kann argumentieren, dass die Handlung des Beschuldigten nicht ursächlich für die Verletzung war oder dass kein Vorsatz zur Körperverletzung bestand. Wenn nachgewiesen werden kann, dass die Verletzung auf einen Unfall oder eine andere Ursache zurückzuführen ist, könnte dies die Anklage entkräften.
  • Verwendung von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen: Wenn der Vorwurf lautet, dass der Beschuldigte eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug benutzt hat, muss nachgewiesen werden, dass das verwendete Mittel tatsächlich als solches eingestuft werden kann.
  • Begehung durch eine das Leben gefährdende Behandlung: Es muss bewiesen werden, dass die Handlung des Beschuldigten das Leben des Opfers gefährdet hat. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Verteidiger argumentieren, dass der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nicht erfüllt ist.
  • Gemeinschaftliche Begehung: Wenn der Vorwurf lautet, dass die Tat gemeinschaftlich begangen wurde, muss nachgewiesen werden, dass der Beschuldigte aktiv mit anderen zusammengearbeitet hat, um die Körperverletzung zu begehen.


Notwehr und Notstand

  • Notwehr (§ 32 StGB): Der Verteidiger kann argumentieren, dass der Beschuldigte in Notwehr gehandelt hat, um sich selbst oder andere vor einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff zu schützen. Die Handlung des Beschuldigten muss verhältnismäßig gewesen sein.
  • Notstand (§ 34 StGB): Wenn der Beschuldigte in einer Notstandssituation gehandelt hat, um eine unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abzuwenden, kann dies als Rechtfertigungsgrund geltend gemacht werden.


Verfahrensfehler und Rechtsverstöße

  • Unrechtmäßige Ermittlungen: Überprüfung, ob die Ermittlungsbehörden während der Beweissicherung oder Vernehmungen Fehler gemacht haben. Verfahrensfehler können dazu führen, dass bestimmte Beweise nicht verwertbar sind.
  • Verletzung der Rechte des Beschuldigten: Wenn der Beschuldigte während des Ermittlungsverfahrens nicht ordnungsgemäß über seine Rechte informiert wurde oder wenn seine Rechte verletzt wurden (z.B. durch eine erzwungene Aussage), kann dies zur Unverwertbarkeit von Beweisen führen.


Beweisanfechtung

  • Glaubwürdigkeit der Zeugen: Überprüfung der Glaubwürdigkeit und Konsistenz der Aussagen der Zeugen. Widersprüche oder Ungenauigkeiten in den Aussagen können die Glaubwürdigkeit der Zeugen beeinträchtigen.
  • Fehlende oder widersprüchliche Beweise: Anfechtung der vorgelegten Beweise, wenn diese unzureichend oder widersprüchlich sind. Der Verteidiger kann darauf hinweisen, dass die Beweise nicht ausreichen, um die Schuld des Beschuldigten zweifelsfrei nachzuweisen.


Sachverständigen

  • Medizinische Gutachten: Einholung unabhängiger medizinischer Gutachten, um die Verletzungen des Opfers und deren Ursache zu überprüfen. Dies kann helfen, die Schwere der Verletzungen zu relativieren oder alternative Ursachen darzulegen.
  • Forensische Analysen: Nutzung forensischer Experten, um die Tatbestandsmerkmale zu überprüfen, insbesondere bei der gefährlichen Körperverletzung.


Mildernde Umstände und persönliche Hintergründe

  • Provokation oder Affekthandlung: Der Verteidiger kann geltend machen, dass der Beschuldigte durch das Verhalten des Opfers provoziert wurde oder im Affekt gehandelt hat. Dies kann zu einer Strafmilderung führen.
  • Reue und Wiedergutmachung: Ausdruck von Reue und aktive Bemühungen um Wiedergutmachung gegenüber dem Opfer können sich strafmildernd auswirken.
  • Persönliche und soziale Umstände: Darstellung der persönlichen und sozialen Hintergründe des Beschuldigten, die die Tat möglicherweise beeinflusst haben (z.B. familiäre Probleme, psychische Belastungen).
  • Herabstufung einer gefährlichen oder schweren Körperverletzung auf eine einfache Körperverletzung: Eine Herabstufung auf das Grunddelikt kommt dann in Betracht, wenn die qualifizierenden Merkmale der gefährlichen oder schweren KV nicht nachgewiesen werden können oder rechtliche Einwände hiergegen bestehen.


Fazit

Die Verteidigung beim Vorwurf der einfachen oder gefährlichen Körperverletzung erfordert eine sorgfältige und umfassende Strategie. Dies umfasst die Anfechtung der Tatbestandsmerkmale, die Nutzung von Notwehr- oder Notstandsargumenten, die Aufdeckung von Verfahrensfehlern, die Überprüfung und Anfechtung der Beweise sowie die Darstellung mildernder Umstände. Ziel ist es, die bestmögliche Verteidigung für den Beschuldigten zu gewährleisten und eine faire und gerechte Behandlung im Strafverfahren sicherzustellen. 



Lassen Sie sich von Rechtsanwältin Hannah Funke betreuen - Anwältin für Gewaltdelikte. Nehmen Sie Kontakt auf: [email protected]!