Wie und wann bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

Was ein Pflichtverteidiger ist, haben wir bereits geklärt.


Wann bekommen Sie einen Pflichtverteidiger?

Jetzt beantworten wir die Frage, wann Ihnen denn ein Pflichtverteidiger zusteht.
Die Antwort findet sich in § 140 StPO. Wenn man in einem Strafverfahren eines der dort gesetzlich aufgeführten Merkmale erfüllt, wird einem spätestens ab Anklageerhebung ein Anwalt zugewiesen, wenn man nicht bereits einen Anwalt hat. Diese Fälle des Anwaltszwangs sind nach dem Gesetz die Fälle, die besonders schwer wiegen oder eine besondere anwaltliche Expertise zwingend erforderlich machen.

Der Anwaltszwang gilt nur für Strafverteidigermandate (nicht für Opfermandate).


Merkmale, die zu einem solchen Anwaltszwang in Ihrem Strafverfahren führen:

  • In Ihrem Verfahren ist zu erwarten, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet. Das sind die Gerichte, die Straftaten behandeln, die schwerwiegender sind.


  • In Ihrem Verfahren wird Ihnen ein Verbrechen zur Last gelegt. Man unterscheidet bei Tatvorwürfen zwischen Vergehen und Verbrechen. Verbrechen sind Vorwürfe, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr versehen sind. Vergehen sind alle Vorwürfe "darunter". Welche Mindestfreiheitsstrafe ihr Vorwurf hat, steht im Gesetz. Zum Beispiel: Die Verbreitung von Kinderpornographie gem. § 184b Abs.1 S.1 Nr.1 StGB: "Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet (...)."

 

  • Ihr Strafverfahren kann zu einem Berufsverbot führen.


  • Sie sind als Beschuldigter nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen (Untersuchungshaftsfälle).


  • Sie befinden sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt.


  • In Ihrem Verfahren kommt zur Vorbereitung eines Gutachtens über Ihren psychischen Zustand Ihre Unterbringung nach § 81 in Frage.


  • In Ihrem Verfahren ist zu erwarten, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird.


  • In Ihrem Verfahren wurde bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen.


  • In Ihrem Verfahren wurde dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet.


  • In Ihrem Verfahren erscheint bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten.


  • Sie sind ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter.


  • In Ihrem Verfahren erscheint die Mitwirkung eines Anwalts wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint 


  • In Ihren Verfahren ist ersichtlich, dass Sie sich nicht selbst verteidigen können.



Wie bekommen Sie einen Pflichtverteidiger?

Entweder das Gericht weißt Sie durch einen Brief darauf hin, dass für Ihr Verfahren ein Verteidiger zwingend erforderlich ist. Sie bekommen dann spätestens mit Anklageerhebung die Gelegenheit, innerhalb einer Woche einen Anwalt als Ihren Pflichtverteidiger frei zu benennen. Wenn Sie dies in der angegebenen Zeit nicht tun, teilt das Gericht Ihnen einen zu.

Oder Sie nehmen sich von vorn herein einen Anwalt und während Mandatsschluss oder im Laufe des Mandats wird deutlich, dass das Verfahren unter Anwaltszwang geführt werden muss. Dann kann sich der Anwalt auch als Pflichtverteidiger anmelden.