Verfahrenseinstellungen in Strafverfahren

 

In deutschen Strafverfahren besteht die Möglichkeit, Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einzustellen. Diese Voraussetzungen sind in der Strafprozessordnung (StPO) und im Jugendgerichtsgesetz (JGG) festgelegt. Die folgende Übersicht erläutert die einzelnen Bestimmungen und ihre Anwendung.

Eine Verfahrenseinstellung kann im Vorfeld nicht garantiert werden. Von keinem Anwalt. Jedenfalls von keinem seriösen Anwalt.


Zu den Erfolgsaussichten zu Verfahrenseinstellungen bei Sexualdelikten und bei Körperverletzungsdelikten finden Sie hier weitere Informationen. 



WICHTIG!

  1. Sie wissen erst, dass das Verfahren eingestellt wurde, wenn Sie einen entsprechenden Brief von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht erhalten haben. Das Verfahren löst sich nicht einfach in Rauch auf ohne dass Sie hiervon Kenntnis erhalten. Kontrollieren also regelmäßig Ihre Post. 
  2. Auf eine Verfahrenseinstellung sollte tatkräftig hingearbeitet werden. Dies erkennen Sie auch an den komplizierten Einstellungsvoraussetzungen, die wir unten für Sie aufführen. Hierzu empfehlen wir dringend anwaltliche Hilfe, damit dieser helfen kann, die Einstellungsgrundlage zu legen, die Einstellungsvariante zu wählen, die Einstellung zu beantragen bzw. anzuregen und juristisch fachmännisch zu begründen. Erfahrungsgemäß steigert eine vernünftig aufgearbeitete Einstellungsverteidigung die Einstellungswahrscheinlichkeit erheblich, da andernfalls nicht jede entscheidende Information im richtigen Rahmen zur Justiz gelangt. Nicht umsonst liegt in den überwiegenden Fällen bei Sexualdelikten Anwaltszwang vor!



§ 170 Abs.2 StPO – Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts

Wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben, wird das Verfahren eingestellt. Das kann dann der Fall sein, wenn die Rechtslage oder die Beweislage für eine Verurteilung nicht ausreichen würde. Diese Umstände rechtfertigen das Fehlen einer Strafbarkeit. Im Ermittlungsverfahren wird die Rechtslage zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung genau erörtert. Auch die Beweislage wird oftmals tatkräftig diskutiert - Ermittlungsmaßnahmen finden statt, müssen angeregt werden, Beweismittel werden gewürdigt. Und ab einem bestimmten Zeitpunkt muss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abschließen und die Entscheidung treffen, ob in einem möglichen Gerichtsverfahren die Verurteilung wahrscheinlicher wäre als der Freispruch. Ist dies nicht der Fall, fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht und das Verfahren muss eingestellt werden.

Bei Verfahrenshindernissen im Ermittlungsverfahren wird ebenfalls hiernach eingestellt - beispielsweise Verjährung oder das Fehlen eines Strafantrages bei absoluten Antragsdelikten (ab dem Gerichtsverfahren erfolgt die Einstellung wegen Verfahrenshindernissen über § 206a StPO).



§ 153 StPO – Einstellung bei Geringfügigkeit

  • Anwendung: Einstellung wegen Geringfügigkeit eines Delikts.
  • Voraussetzung: Die Schuld des Täters erscheint gering und es besteht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Oftmals kann das bei Vergehen ermöglicht werden, wenn der Beschuldigte Ersttäter ist oder eine weitere Aufklärung der Vorwürfe unverhältnismäßig wäre.



§ 153a StPO – Einstellung gegen Auflagen und Weisungen

  • Anwendung: Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen, wie Schadenswiedergutmachung, Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung oder die Staatskasse, oder die Erbringung sonstiger Leistungen.
  • Voraussetzung:  Angewendet bei Delikten, bei denen kein erhebliches öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und die Schuld als nicht schwerwiegend angesehen wird. Oftmals im Vergleich zu § 153 StPO dann angewendet, wenn entweder der Schaden hoch ist oder der Täter kein Ersttäter mehr ist und die Verfahrenseinstellung "noch spuren soll".



§§ 45, 47 JGG – Einstellung bei Jugendlichen 

Lesen Sie hier mehr zur Einstellung von Jugendstrafverfahren.


§ 205 StPO – Einstellung wegen Unauffindbarkeit des Beschuldigten

Das Verfahren kann hier wegen Unauffindbarkeit des Beschuldigten vorläufig eingestellt werden. Tritt dieser zum Vorschein, wird das Verfahren wieder aufgenommen.


 

Anwaltskosten

Wird das Verfahren im Ermittlungsverfahren eingestellt, ist dies für den Beschuldigten die beste und diskreteste Lösung, das Verfahren zu beenden und Stigmatisierung zu verhindern. In diesem Fall übernimmt der Staat jedoch im Regelfall nicht die Anwaltskosten, obgleich eine Verteidigung im Ermittlungsverfahren erheblichen Einfluss auf eine mögliche Verfahrenseinstellung haben kann. Es gibt immerhin keinen Freispruch im Ermittlungsverfahren, sondern die Verfahrenseinstellung ist hier die einzige Möglichkeit, das Verfahren zugunsten des Beschuldigten zu beenden. Frustrierend aber Realität. 

Wird das Verfahren im Gerichtsverfahren eingestellt, entscheidet das Gericht über die Kostenübernahme im Einzelfall. Bei einem Freispruch im Gerichtsverfahren trägt das Gericht in jedem Fall die Anwaltskosten (jedoch nur maximal in Höhe der gesetzlichen Gebühren).
 
Da eine Verfahrenseinstellung dazu führt, dass man nicht als vorbestraft gilt, einen entsprechenderweise auch regelmäßig keine anderen Nachteile einer Verurteilung mehr treffen (zum Beispiel asylrechtliche, beamtenrechtliche oder arbeitsrechtliche) und allen Voran die Verhängung der Strafe umgangen wird, sollte man überlegen, wo die eigenen Prioritäten liegen. Nicht selten ist aus diesen Gründen der Kampf um eine Verfahrenseinstellung trotz Kostentragungspflicht der Anwaltskosten günstiger als ohne Kampf in die Verurteilung zu schlittern. 

 

Zusammenfassung

Die Einstellung von Strafverfahren in Deutschland erfolgt unter verschiedenen Voraussetzungen, die sich je nach Schwere und Art des Delikts, dem Alter des Beschuldigten und anderen Faktoren unterscheiden. Sie reichen von der Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts bis hin zur Einstellung bei Erfüllung bestimmter Auflagen oder im Fall der Unauffindbarkeit des Beschuldigten. In Jugendstrafverfahren werden dabei erzieherische Aspekte besonders berücksichtigt. Diese Mechanismen dienen der Effizienz des Strafjustizsystems und berücksichtigen gleichzeitig die Umstände des Einzelfalls sowie die Interessen der Gesellschaft. 


 

Unser Tipp: Die größte Chance auf die Einstellung des Verfahrens kann über einen anwaltlichen Beistand erfolgen, da dieser genau einschätzen kann, was für eine solche Einstellung noch fehlt. Anwaltliche Schriftsätze können hier wahre Wunder wirken, wenn die Voraussetzungen zur Verfahrenseinstellung damit erreicht werden können!