Was ist ein aussagepsychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten?

 

Ein aussagepsychologisches Glaubwürdigkeitsgutachten spielt eine wesentliche Rolle in deutschen Sexualstrafverfahren, insbesondere in Fällen, in denen es zu einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kommt. In solchen Verfahren, wo direkte Beweise neben der Belastungsaussage oft fehlen oder schwer zu erbringen sind, kann die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein.

Normalerweise ist es die ureigenste Aufgabe des Gerichte, die Würdigung einer Zeugenaussage selbst vorzunehmen. Bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen orientiert es sich dabei an strengen Kriterien.

In aller Regel werden diese Gutachten dann angesetzt, wenn eine besondere Situation vorliegt. Beispielsweise wenn die Opferzeugin traumatisiert ist und therapeutische Hilfe in Anspruch genommen hat. 

Definition und Zweck

  • Aussagepsychologisches Gutachten: Es handelt sich um eine wissenschaftlich fundierte Bewertung der Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage, insbesondere in Fällen ohne physische Beweise. Es wird von speziell ausgebildeten Psychologen erstellt, die Expertise in der Beurteilung von Aussagen, insbesondere im Kontext von Sexualdelikten, haben.
  • Ziel: Das Hauptziel ist es, festzustellen, ob die Aussage des Zeugen oder Opfers konsistent, nachvollziehbar und plausibel ist und nicht auf einer Einbildung, Täuschung oder Falschbeschuldigung beruht.


Methodik

  • Analyse der Aussagequalität: Der Gutachter prüft die Detailliertheit, Konsistenz und Konkretheit der Aussage. Dabei wird auch beachtet, wie die Aussage über die Zeit hinweg aufrechterhalten wird und ob sie logische oder strukturelle Inkonsistenzen aufweist.
  • Kontextuelle Faktoren: Berücksichtigung von Umständen, die die Aussage beeinflussen könnten, wie psychischer Druck, Erinnerungsvermögen oder Beeinflussung durch Dritte.
  • Motive für Falschaussagen: Untersuchung möglicher Motive des Zeugen für eine nicht wahrheitsgemäße Aussage.


Wichtigkeit in Aussage-gegen-Aussage Konstellationen

  • Entscheidende Rolle: In Fällen, in denen es kaum oder keine physischen Beweise gibt, kann das aussagepsychologische Gutachten eine Schlüsselrolle bei der Entscheidungsfindung des Gerichts spielen.
  • Objektivität: Es soll eine objektive, wissenschaftlich fundierte Einschätzung der Glaubwürdigkeit bieten und damit helfen, Fehlurteile zu vermeiden.
  • Unterstützung für das Gericht: Bietet dem Gericht zusätzliche Einsichten und Hilfestellungen bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Aussagen, insbesondere in komplexen und emotional aufgeladenen Fällen. Das Gericht muss das Gutachten würdigen und sich darauf stützend eine eigene Meinung bilden. Diese muss nicht zwingend mit dem Gutachten übereinstimmen - in der Regel ist das aber der Fall.


Grenzen und Kritik

  • Subjektive Elemente: Trotz wissenschaftlicher Methoden enthält die Beurteilung der Glaubwürdigkeit immer auch subjektive Elemente.
  • Fehlerrisiken: Es besteht das Risiko von Fehleinschätzungen, besonders in hochkomplexen Fällen oder bei sehr erfahrenen Täuschern.
  • Ethische Bedenken: Es gibt Bedenken hinsichtlich des Drucks und der emotionalen Belastung für das Opfer, insbesondere bei Kindern oder traumatisierten Personen.


Fazit

Das aussagepsychologische Glaubwürdigkeitsgutachten ist ein wichtiges Instrument in deutschen Sexualstrafverfahren, besonders in Aussage-gegen-Aussage-Situationen. Es unterstützt das Gericht dabei, die Glaubwürdigkeit von Aussagen zu bewerten und trägt somit zur Wahrheitsfindung bei. Allerdings sind bei seiner Erstellung und Interpretation Sorgfalt und Sensibilität geboten, um die Grenzen und möglichen Fehlerquellen dieser Methode zu berücksichtigen.