Wann MUSS oder SOLLTE man bei Sexualstrafverfahren einen Verteidiger beauftragen?

Bei einem derartig schwerwiegenden Vorwurf empfiehlt es sich natürlich regelmäßig, sich direkt einen Anwalt für Sexualdelikte zu suchen. Dies hat den Vorteil, dass frühstmöglich mit der Verteidigung angesetzt werden kann und im besten Fall damit ein Gerichtsverfahren umgangen werden kann. Die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung im Ermittlungsverfahren ist hierdurch natürlich rein aus organisatorischen Gründen bereits erhöht. Auch erhalten Sie durch einen Anwalt die Möglichkeit, das Verfahren besser zu verstehen. Sie erhalten Handlungsanweisungen und ausführliche Einblicke in die Ermittlungsakte. Hierzu sind insbesondere die belastenden Zeugenaussagen von enormer Wichtigkeit. Dies hilft Ihnen von Anfang an Klarheit über die Vorwürfe zu erlangen. Es kann helfen, Erfolgsaussichten besser einzuschätzen und mit den verfahrensimmanenten Sorgen besser umzugehen.



Wann MUSS ich mir einen Anwalt suchen?

Schwere Sexualvorwürfe wie Vergewaltigung etc. unterliegen in den meisten Fällen ohnehin dem Anwaltszwang. Verhärtet sich also innerhalb des Ermittlungsverfahrens der Tatvorwurf, wird die Staatsanwaltschaft Ihnen also im Zweifel selbst einen Pflichtverteidiger beantragen, wenn Sie sich vorher keinen eigenen suchen oder auf Aufforderung angeben. In dem Fall entscheidet dann der Ermittlungsrichter, wen er Ihnen als Anwalt zur Seite stellt. Richtig gelesen. Das kann das auch ein Anwalt für Familienrecht sein. 
Ab diesem Zeitpunkt läutet die Justiz dann übrigens offiziell den Anwaltszwang ein. Das ist oftmals spätestens mit Anklageerhebung der Fall - also nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens. Dann aber auf jeden Fall.


Wann SOLLTE ich mir einen Anwalt suchen?

Das dürfte absolut individuell sein und daher gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Hier haben wir zwei plausible Prioritäten der Mandanten aufgedröselt.


Priorität: Geringstes Kostenrisiko

Haben Sie enorme Sorgen wegen entstehender Anwaltskosten, können Sie abwarten, bis Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, also Sie offiziell in den Bereich des Anwaltszwangs eintreten. Denn durch einen Pflichtverteidiger werden die Verfahrenskosten zunächst durch den Staat übernommen. Der Staat würde im Fall einer Verurteilung quasi Regress bei Ihnen nehmen. 
Sind Sie also darauf angewiesen, dass das Mandat als Pflichtverteidigung durchgeführt wird, ist der finanziell sicherste Weg, die Pflichtverteidigungsaufforderung abzuwarten. Diese ergeht jedoch im Regelfall erst mit Anklageerhebung. Eine Einwirkung im Ermittlungsverfahren ist in diesem Fall also nicht mehr möglich. Das ist erheblich nachteilig und sollte daher gut durchdacht sein.

Natürlich können Sie auch schon vor Pflichtverteidigeraufforderung mit einem Anwalt ausmachen, das Verfahren bei Eintritt des Anwaltszwangs als Pflichtverteidigung zu führen. Jedoch entsteht in dieser Konstellation das Risiko, dass die Pflichtverteidigerbeiordnung zwar beantragt wurde, das Verfahren aber in der Zeit eingestellt wird, ohne dass über die Beiordnung entschieden werden konnte. Wurde der Anwalt dann bereits tätig, führt das im Regelfall dazu, dass Sie auf den bis dahin entstandenen Anwaltskosten sitzen bleiben. 

Auch wenn diese dargestellten Kostenrisiken unserer Erfahrung nach bei Sexualdelikten für die Mandanten weniger Priorität haben, sollten sie der Transparenzwegen erwähnt werden. 

Daher erfolgen die meisten Mandate in Sexualdelikten auch über Mandatsverträge zu individuellem Anwaltshonorar und unabhängig etwaiger Zeitpunkte zum Anwaltszwang oder Pflichtverteidigeraufforderungen. Die meisten Beschuldigten sagen sich an dieser Stelle tatsächlich: Sicher ist sicher. Viel wichtiger ist ihnen in Anbetracht der Auswirkungen solcher Vorwürfe, eine sichere Betreuung. Womit wir zur anderen Priorität kämen...




Priorität: Strafverteidigung

Haben Sie also keine erheblichen Sorgen hinsichtlich der Anwaltskosten, empfiehlt es sich IMMER, bei diesen Vorwürfen direkt einen Anwalt unabhängig irgendwelcher Pflichtverteidigermöglichkeiten/-risiken einzuschalten.
 
Und dann auch so früh wie möglich.

Allein vor dem Hintergrund, dass die Polizei oftmals einige Ermittlungsmaßnahmen gegen Sie durchführt, die überfordernd und belastend sein können! Wohnungsdurchsuchungen sind beispielsweise normal. Die Polizei wird Vernehmungsversuche durchführen. Und Sie tappen ohne Anwalt dann bisweilen im Dunkeln. Dies wäre natürlich ein erhebliches Verteidigungsrisiko und deutlich nachteilig. Selbst wenn man unschuldig ist. Nutzen Sie die Möglichkeit von anwaltlichen Stellungnahmen zu belastenden Zeugenaussagen der Gegenseite. Im Ermittlungsverfahren besteht ein hohes Einstellungspotential, wenn man entsprechend auf Ihrer Seite kämpft. Und das tut die Staatsanwaltschaft im Regelfall gerade nicht.


Fazit

Wir möchten natürlich niemanden ängstigen. Unterschiedlichste Menschen sind aus unterschiedlichem Holz geschnitzt. Unsere Erfahrung zeigt, dass Anwälte und alle Möglichkeiten, die damit einhergehen, den Mandanten das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit geben und gerade in diesen Verfahren ist das Gold wert. Die Möglichkeit, früher Einwirkung auf den Ermittlungsprozess ist Gold wert.

Grundsätzlich ist es darüber hinaus so, dass es absolut normal ist, sich in solchen Situationen einen Anwalt zu nehmen. Auch als unschuldige Person. Dies macht Sie also nicht mehr oder weniger verdächtiger. Auch wenn Polizeibeamte gerne mal etwas anderes behaupten, um so viel Aussage wie möglich aus Beschuldigten heraus zu bekommen.

Wägen Sie also ab, wo Ihre Prioritäten liegen. Jeder Mensch ist individuell und hat individuelle Sorgen und Bedürfnisse. Dem einen ist der gute Ruf und eine allumfassende Verteidigungsmöglichkeit das Kostenrisiko wert. Dem anderen trifft die finanzielle Belastung mehr und geht dahingehend lieber den günstigeren Weg.

Ganz wertfrei sagen wir an dieser Stelle: Wir kommunizieren natürlich gerne und offen die jeweiligen Möglichkeiten und Sie suchen sich Ihren besten Weg aus.
 

Unser Tipp: Beauftragen Sie einen Anwalt für Sexualdelikte. Und das am besten, bevor Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird, der im schlimmste Fall fachfremd ist. Nur ein Anwalt für Sexualdelikte kennt sich mit den Besonderheiten zur Rechtslage, den Hintergründen der Tat und Beweisaufnahme sowie Strategien zu Ihrem Verfahren in den entscheidenden Aspekten aus.