Sollte ich eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung stellen?

Sind Sie Beschuldigter in einem Sexualstrafverfahren oder anderem Gewaltverfahren, stellen Sie sich zwangsläufig irgendwann die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung oder/und Verleumdung durch die Strafanzeige zu stellen.


Wann könnte man Gegenanzeige stellen?

In Sexualstrafverfahren oder anderem Gewaltverfahren sollte man eine solche Gegenanzeige stellen, wenn man 

  1. durch eine belastende Aussage oder Anzeige eines Sexualdeliktes bezichtigt wurde, 
  2. diese nicht begangen hat und 
  3. man gewichtige Anhaltspunkte dafür findet, dass die anzeigende Person absichtlich lügt (wider besseren Wissens unwahre Angaben Tatvorwurf macht, die zu einem Tatvorwurf/Strafverfahren führen). 


Denn dann kommen tatbestandlich Strafbarkeiten der Verleumdung, § 187 StGB oder der falschen Verdächtigung, § 164 StGB in Betracht. In diesen Fällen werden Beschuldigte selbst zu Opfern.



Wann sollte man Gegenanzeige stellen?

Eine entsprechende Anzeige kann also letztlich Ihre Position stärken, wenn Sie sich nicht als Täter geständig einlassen wollen. Am Ende hängt es davon ab, wie die Verteidigungsstrategie ausgestaltet sein soll: Will man streitig verhandeln oder geständig?

Stellen Sie keine Gegenanzeige, wenn Sie ohnehin ein Geständnis ablegen werden.

Das Stellen einer Gegenanzeige ist eine enorme Zusatzbelastung für die Gegenseite und kann unter erheblichen psychischen Druck setzen. Hierdurch kann man nicht einzig erzielen, dass die belastende Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt überdacht wird, sondern auch die entscheidungsfindenden Personen wie Staatsanwaltschaft und Gericht sehen die Übertragung dieser Belastung. Geht es am Ende dann also tatsächlich um eine mildere Bestrafung, kann dies strafschärfend berücksichtigt werden.

Sollten Sie selbst eine unwahre Gegenanzeige stellen, so würden auch Sie sich selbst der falschen Verdächtigung oder Verleumdung strafbar machen. Und so dreht sich alles im Kreis, wenn herauskommt, dass diese Gegenanzeige einer Lüge entspringt. Daher sollte eine Gegenanzeige auch nie aus dem übermannenden Gefühl des Kontrollverlustes oder der Wut entstehen, sondern wohl überlegt, nachdem eine Strategie mit der Anwältin erstellt wurde.
 
Bei Strafanzeigen, die auf Lügen basieren, kann gerichtlicher Entscheidung der falsch anzeigenden Person die Anwaltskosten der Gegenseite auferlegt werden, § 469 StPO.


Diskretion als Priorität

Da gerade bei Sexualdelikten der gute Ruf und die eigene Ehre schon dann besonders belastet ist, wenn noch gar kein Urteil gefällt wurde, ist es wichtig, früh gegen derartige Anschuldigungen vorzugehen und die Rollen Täter-Opfer nicht ohne Weiteres so stehen zu lassen. Stigmatisierung von Anzeigen wegen Sexualdelikten oder Gewaltdelikten können nachhaltige Schäden verursachen. 



Weitere Ansprüche gegen den falsch Anzeigenden 

Als Geschädigter im Verleumdungsverfahren könnten Ihnen Schmerzensgeldansprüche (Schadensersatzklage) oder Unterlassungsansprüche ( -> Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung oder Unterlassungsklage) zustehen.
Die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen verstößt gegen eigene Persönlichkeitsrechte und diese sind nicht nur grundrechtlich geschützt. Insbesondere bei derart sensiblen Vorwürfen, die eine erhebliche Ehrkränkung bereits im Verdachtsstadium auslösen können, sind Persönlichkeitsrechte betroffen. Da jedoch auch auf der anderen Seite der (falsch) angezeigte Tatverdacht ermittelt wird, kollidieren nicht selten die Persönlichkeitsrechte mit den Opferrechten der Gegenseite / dem allgemeinen Strafverfolgungsinteresse. Ob und wieweit der Schutz der Persönlichkeitsrechte vor dem großen Monstrum "Strafverfahren" in Einklang gebracht werden kann, ist eine Sache des Einzelfalls und der individuellen Verteidigungsstrategie. 



Besonderheiten bei Körperverletzungsverfahren

Sie sollten stets darauf achten, dass eine Anzeige wegen einfacher Körperverletzung auch einen Strafantrag innerhalb von 3 Monaten nach der Schlägerei erfordert.

Nicht selten kommt es gerade beim gegenseitigen Vorwurf von Körperverletzungen vor, dass auch ein gegenseitiges Verfahren geführt wird. Bei Unaufklärbarkeit der Tatumstände werden oftmals beide Verfahren in Mangel an Beweisen eingestellt. Möchte man, dass das Gegenverfahren bestehen bleibt, ist es für den Prozess essentiell, dass eine aufklärbare Beweislage geschaffen wird. Anhand der Ermittlungsakte muss der Sachverhalt begutachtet werden, Stellungnahmen abgegeben und ggf. Beweisanträge gestellt werden. Gab es Zeugen, die gesehen haben könnte, wer angefangen hat? Deuten die Verletzungen auf eine einseitige Körperverletzung hin? Derartige Beweismittel können dazu führen, dass am Ende ein Täter und ein Opfer ausgeurteilt werden. Eine Garantie für eine einseitige Aburteilung gibt es hierfür gerade in Anbetracht der Überlastung der Justiz jedoch nie.

 

Erfolgsaussichten

Entsprechende "Gegenprozesse" werden übrigens nicht selten eingestellt, da es gar nicht so einfach ist, darzulegen, dass der Belastungszeuge aktiv gelogen hat. 

 

Interessant: Sexualstrafverfahren oder Gewaltverfahren enden bei Freispruch nämlich nur in den seltensten Fällen mit der Feststellung, dass die vorgeworfene Tat erlogen wurde. 



Ob ein derartiges Vorgehen sinnvoll ist, erklärt Ihnen Ihre Strafverteidigerin für Sexual- und Gewaltdelikte. Rechtsanwältin Hannah Funke kennt dabei auch die Risiken der Opfervertretung und kann auf allen Ebenen erfahren beraten und verteidigen.

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