Vorwürfe der sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - was nun, was tun?

Sexuell belästigendes Verhalten erfahren viele Menschen auch aus der engsten Umgebung. Und gerade wenn ein gewisses Machtgefälle die eigenen Handlungsweisen mitbestimmen, erfahren Täter oder Täterinnen besonderen Schutz. 

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein weit verbreitetes Phänomen und besonders belastend, da sich Betroffene oft machtlos fühlen, eingeschüchtert, Zukunfts- oder Existenzängste dominieren und am Ende das Gefühl haben, sich für die eigene Integrität oder die finanzielle Sicherheit im Job entscheiden zu müssen.

Ob ein bestimmtes Verhalten rechtlich relevant ist, kann in erster Linie durch beratende Anwälte miterörtert werden. Wir helfen, zu ergründen, welchen Weg man gehen möchte.


Strafrechtliche Bewertung

Das Strafrecht sieht für die sexuelle Belästigung einen Straftatbestand vor, der auch am Arbeitsplatz seine Wirkung entfaltet. § 184i StGB sanktioniert Menschen, die eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Diese körperlichen Übergriffe werden als derart beeinträchtigend empfunden, dass der Gesetzgeber die körperliche sexuelle Belästigung ins Strafgesetzbuch aufgenommen hat. Hier finden Sie mehr Informationen zum Straftatbestand der sexuellen Belästigung gem. § 184i StGB.

Rein verbale Äußerungen fallen hier nicht drunter, diese könnten jedoch als Beleidigung auf sexueller Grundlage im Sinne des § 185 StGB gewertet werden. 
Hierfür muss die sexuelle Beleidigung jedoch nicht nur sexuell motiviert sein, sondern auch ehrverletzend sein.

Im Zusammenhang mit der Vornahme sexuell motivierter Äußerungen liegt ein Angriff auf die Ehre nur vor, wenn der Täter zum Ausdruck bringt, der Betroffene weise insoweit einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Eine ehrverletzende Kundgabe von Missachtung liegt regelmäßig nicht allein in der sexuell motivierten Äußerung des Täters. Denn allein die sexuelle Motivation des Täters, mit der er den Betroffenen unerwünscht und gegebenenfalls in einer ungehörigen, das Schamgefühl betreffenden Weise konfrontiert, genügt für die erforderliche, die Strafbarkeit begründende, herabsetzende Bewertung des Opfers nicht. Eine Herabsetzung des Betroffenen kann sich bei sexuell motivierten Äußerungen im Einzelfall nur durch das Hinzutreten besonderer Umstände unter Würdigung des Gesamttatgeschehens ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1986 – 3 StR 504/85, NStZ 1986, 453, 454; Senat, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 150; BGH, Beschluss vom 12. August 1992 – 3 StR 318/92, aaO; Senat, Beschluss vom 26. Juli 2006 – 2 StR 285/06, BGHR StGB § 185 Ehrverletzung 6; BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 13/12, NStZ-RR 2012, 206; vgl. zu den Anforderungen an die im Einzelfall vorliegenden besonderen Umstände auch LK/Hilgendorf, aaO, § 185 Rn. 30, 31; MünchKomm-StGB/Regge/Pegel, aaO, § 185 Rn. 13; Fischer, aaO, § 185 Rn. 11, 11a). 


Dies kann zu recht merkwürdigen Konstellationen und Entscheidungen führen.
So entschied der Bundesgerichtshof ( BGH, Beschl. v. 02.11.2017 – 2 StR 415/17), dass der Satz "Ich will an deine Muschi fassen" gegenüber einem 11 jährigen Kind keine sexuelle Beleidigung darstellt und begründet dies wie folgt:

Gemessen hieran ergibt sich hier aus der sexuell motivierten Äußerung des Angeklagten nicht die für die Tatbestandsverwirklichung erforderliche herabsetzende Bewertung des Kindes. Der Angeklagte hat mit seiner einmaligen Äußerung nicht zum Ausdruck gebracht, das 11-jährige Mädchen sei mit einem entsprechenden, ihre Ehre mindernden Makel behaftet. Neben der kurzen, sexuell motivierten Äußerung, sind hier keine weiteren besonderen Tatumstände festgestellt, die auf eine von dem Angeklagten gewollte herabsetzende Bewertung des Kindes schließen lassen. Die Äußerung des Angeklagten stellt sich zwar als sexuell motiviert dar, weist jedoch für sich genommen noch keinen ehrverletzenden Charakter im Sinne des 185 StGB auf.


Starren oder anderes belästigendes Verhalten aus der Ferne erfüllt im Regelfall keinen Straftatbestand (außer es erreicht die Schwelle der Nachstellung gem. § 238 StGB.

Die strafrechtliche Betrachtung einer sexuellen Belästigung ist also recht eng gesteckt.


Arbeitsrechtliche Bewertung

Die arbeitsrechtliche Bewertung sexuell belästigender Handlungen bietet dagegen deutlich mehr Spielraum. So fallen hierunter nicht nur körperliche Berührungen, sondern darüber hinaus auch weiteres unkörperliches Verhalten. § 3 Abs.4 AGG bietet hierfür eine gesetzliche Definition zur Orientierung.

Arbeitsrechtlich liegt eine sexuelle Belästigung also schon vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Das bedeutet, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen deutlich früher getroffen werden können als strafrechtliche Sanktionen.

Oftmals bietet es sich jedoch an, den arbeitsrechtlichen und strafrechtlichen Weg zu gehen. Über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinaus sollte das Verhalten auch tatsächlich bestraft werden.


Welche Rolle spielt die Strafverteidigung?

Die Strafverteidigung hat die Aufgabe, die Rechte des Beschuldigten zu wahren und sicherzustellen, dass ein gerechtes Verfahren stattfindet. In emotional aufgeladenen Verfahren, wie sie sexuelle Delikte oft sind, ist dies besonders herausfordernd.

Sexuelle Belästigung ist ein ernstes Thema, das auch im Strafrecht Beachtung findet. Die Strafverteidigung spielt eine wesentliche Rolle bei der Wahrung der Rechte des Beschuldigten und sorgt dafür, dass der Rechtsstaat auch in heiklen Angelegenheiten funktioniert. Sexualdelikte sind Vorstrafen, die sich niemand im Führungszeugnis wünscht und auch die Stigmatisierung durch die Gesellschaft entwickelt sich bereits bei "geringeren" Sexualdelikten wie der sexuellen Belästigung.


Welche Rolle spielt ein Opferanwalt im Strafverfahren?

Auf der anderen Seite der Strafverteidiger stehen Opferanwälte, die insbesondere in einem Nebenklageverfahren die Opfer vertreten. Hierbei betreuen Sie das Verfahren, die Zeugenaussage des Opfers, können auf das Strafverfahren durch Beweisanträge, Vernehmungen oder Erklärungen einwirken. Nicht selten geht es hierbei auch um Schmerzensgeldzahlungen.


Welche Rolle spielt ein Arbeitsrechtler?

Eine Anwältin für Arbeitsrecht kann Betroffene im arbeitsrechtlichen Verfahren unterstützen. Hierbei kann sich sowohl der Beschuldigte als auch die Opferzeugin einen Arbeitsrechtsanwalt suchen. Da diese Anschuldigungen besonders gewichtig sind, ist nicht selten der Job bzw. die Existenzgrundlage gefährdet. 


Lassen Sie sich gerne von uns beraten. Entscheiden Sie, ob Sie der Verhalten zur Anzeige bringen möchten und lassen Sie sich von uns im Strafverfahren begleiten.

Gerne verweisen wir Sie für arbeitsrechtliche Beratungen in diesem Bereich an eine geschätzte Kollegin.