Polizeiliche Vernehmung des eigenen Kindes als Opfer - was erwartet mich?
Disclaimer: Sollte das eigene Kind als Beschuldigter vernommen werden, sollte der Ladung in keinem Fall unbedacht nachgegangen werden, sondern direkt ein Anwalt kontaktiert werden.
Als Opfer einer Straftat ist man in erster Linie der Hauptbelastungszeuge der Tat. Entsprechenderweise ist die wichtigste Ermittlungsmaßnahme, dass man als Zeuge vernommen wird. Dies geschieht in der Regel im Ermittlungsverfahren bei der Polizei.
Oftmals wird man bereits bei Anzeigenerstattung kurz vernommen. Die polizeiliche Vernehmung von Zeugen verläuft im Regelfall empathisch und freundlich. Man wird im Büro der (bei Sexualdelikten oft weiblichen) Polizistin vernommen.
Im Regelfall schildert man zunächst frei, was einem passiert ist. Der Vernehmungsbeamte stellt immer wieder Fragen. Die Person muss dabei immer wieder mitschreiben, daher kann die Vernehmung etwas länger dauern. Nur selten ist solche Vernehmung mit Druck verbunden. Oft werden zwangsläufig auch unangenehme Fragen gestellt, um den Fragen der Strafverteidigung vorzugreifen. Hierdurch steigt die Wahrscheinlichkeit, nicht nochmal vernommen werden zu müssen. Es wird sehr detailliert um die konkreten Tathandlungen, den Tatort, die Täter und den Tatzeitpunkt gehen. Insbesondere bei Sexualdelikten oder Gewaltdelikten müssen die Taten genau beschrieben werden – auch wenn das sehr unangenehm sein kann.
Wenn man eine Pause benötigt, kann man jederzeit danach fragen.
Am Ende wird einem die Verschriftlichung der Vernehmung ausgedruckt und vorgelegt. Man liest diese durch, um zu kontrollieren, ob alles richtig erfasst wurde. Man muss sodann jede Seite unterschreiben, wenn der Inhalt korrekt ist.
Wichtig Sollte man eigene Beweismittel haben, sollten diese mitgebracht werden. Seien es Chatverläufe, Briefe, Aufnahmen, Krankenhausberichte und vieles mehr.
Bringen Sie Zeit und Geduld mit. Bereiten Sie sich auf möglicherweise überwältigende Emotionen Ihres Kindes vor.
Audio-visuelle Vernehmung
Beim Vorwurf von Sexualdelikten oder schweren Gewaltdelikten kann auch die audio-visuelle Vernehmung durchgeführt werden. Man wird in einem sonderausgestatteten Vernehmungsraum während der Vernehmung in Bild und Ton aufgezeichnet. Der Vorteil dabei ist, dass die Zeugen wörtlich erfasst werden und keine Unstimmigkeiten bei der polizeilichen Zusammenfassung erfolgen. Auch wird der Gesprächsfluss nicht ständig durch die Mitschrift des Vernehmungsbeamten unterbrochen. Als Zeuge vergisst man schnell, dass man aufgezeichnet wird. Die Atmosphäre ist oft nochmal entspannter. Man sollte ausdrücklich widersprechen, dass dem Beschuldigten die Aufzeichnung vorgelegt werden darf. Die Verteidigung erhält in diesem Fall lediglich das Wortprotokoll, nicht aber die Aufzeichnungsdatei.
Dos and Don’ts zur Vernehmung bei der Polizei
• Ausweis und Ladung mitnehmen.
• Ggf. Beweismittel wie Krankenhausberichte, Briefe oder Chatverläufe mitnehmen.
• Pünktlich sein.
• Sich bei Ankunft am Polizeiempfang melden und den Namen des Vernehmungsbeamten nennen (steht auf der Ladung).
• Die Wahrheit sagen. Wenn man sich an etwas nicht erinnern kann, so auch erklären.
• Mit dem Vernehmungsbeamten genau kommunizieren, wenn man eine Pause benötigt.
• Auch wenn man aufgeregt ist, nicht unfreundlich oder patzig werden. Die Polizisten schreiben am Ende der Vernehmung einen Eindrucksvermerk in die Akte.
• Sich nicht schämen, wenn man weinen muss. Das kommt sehr oft vor.
Vor der Vernehmung sollte man sich verstärkt Gedanken machen zu den folgenden Fragen:
• Wann ist die Tat passiert?
• Kann ich den Täter identifizieren? Wieso glaube ich, dass Person XY der Täter war? An welche Merkmale kann ich mich erinnern?
• Was ist genau während der Tat passiert? Wie begann die Tat? Was waren die genauen Tathandlungen (beispielsweise: wie lief die Penetration im Detail ab? Mit welcher Hand hat der Täter welche Handlung ausgeführt? War Gewalt im Spiel und wenn ja, in welcher Form? Wurde kommuniziert und wenn ja, was?)? Wie lange dauerte die Tat ungefähr? Was geschah im Anschluss an die Tat?
• Welche Gefühle und Gedanken kamen mir während der Tat? Hatte ich den Eindruck, dass der Täter erkennt, dass er sich über mich hinwegsetzt? Wieso hatte ich diesen Eindruck?
• Gibt es mögliche Beweismittel? (beispielsweise die Sicherung von Spuren direkt nach der Tat, Videoaufzeichnungen, Chatverläufe, Sprachaufzeichnungen, Körperflüssigkeiten, Verletzungen)
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Rechtsanwältin Hannah Funke - Anwalt für Sexualdelikte
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