Was tun, wenn man beschuldigt wird, ein Sexualdelikt begangen zu haben? 

In Deutschland wird das Thema Anwaltszwang in Strafverfahren, insbesondere in Sexualdelikten, durch § 140 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Dieser Paragraph bestimmt, in welchen Fällen ein Beschuldigter verpflichtet ist, einen Verteidiger zu haben. 

§ 140 StPO - Notwendige Verteidigung

  1. Schwere der Tat: Ein Anwaltszwang besteht in der Regel bei schweren Straftaten. Sexualdelikte können, abhängig von ihrer Schwere, unter diese Kategorie fallen, insbesondere bei Delikten wie Vergewaltigung oder sexueller Nötigung.
  2. Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage: Wenn der Fall besonders komplex ist, sowohl in Bezug auf die rechtlichen als auch die tatsächlichen Aspekte, kann ein Anwaltszwang angeordnet werden.
  3. Schwere der zu erwartenden Strafe: Bei Sexualdelikten, bei denen eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten ist, besteht in der Regel Anwaltszwang.
  4. Schutz des Beschuldigten: In Fällen, in denen der Beschuldigte aufgrund seiner persönlichen oder psychischen Verfassung besonders schutzbedürftig ist, kann die Bestellung eines Pflichtverteidigers notwendig sein.


Anwendung in Sexualdelikten

  • Vergewaltigung und sexuelle Nötigung: In Fällen von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung (§ 177 StGB) ist aufgrund der Schwere dieser Delikte von einem Anwaltszwang auszugehen. 
  • Andere Sexualdelikte: Bei weniger schweren Sexualdelikten hängt die Notwendigkeit eines Verteidigers von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab. In der Regel werden auch sexuelle Übergriffe gem. § 177 I, II StGB vor dem Schöffengericht verhandelt, auch wenn die Strafandrohung weniger gravierend ist als bei der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung. Auch der Kindesmissbrauch und Delikte rund um Kinderpornographie liegen derzeit unter Anwaltszwang. Unwahrscheinlich dürfte es sein, dass Exhibitionismus oder sexuelle Belästigung unter Anwaltszwang stehen.
  • Allgemeine Tipps: Wenn sich der Opferzeuge einen Opferanwalt nimmt, besteht auch automatisch für den Beschuldigten Anwaltszwang. Wenn das vorgeworfene Delikt eine Mindeststrafandrohung im Gesetz von einem Jahr vermerkt hat, liegt ebenfalls Anwaltszwang vor. Spätestens mit Anklageerhebung wird dem Beschuldigten der Anwaltszwang offenbart, denn ist man dann noch nicht anwaltlich vertreten, wird einem angekündigt, dass einem alsbald ein Pflichtverteidiger bestellt wird.


Prozess der Verteidigerbestellung

  • Amtsgerichtliche Bestellung: Wenn ein Anwaltszwang besteht und der Beschuldigte keinen Verteidiger hat, wird in der Regel vom Amtsgericht ein Pflichtverteidiger bestellt.
  • Wahlverteidiger: Der Beschuldigte hat das Recht, seinen eigenen Verteidiger zu wählen, sofern ein Anwaltszwang besteht.


Fazit

In Sexualdelikten in Deutschland kann ein Anwaltszwang bestehen, insbesondere bei schweren Delikten wie Vergewaltigung oder sexueller Nötigung. Die Notwendigkeit eines Verteidigers wird auf Basis der Schwere des Delikts, der Komplexität des Falles und der persönlichen Situation des Beschuldigten bestimmt. In jedem Fall ist es für den Beschuldigten ratsam, frühzeitig rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen, um seine Rechte und Interessen im Verfahren zu wahren.