"Abgefüllt und vergewaltigt"

Opferhilfe nach der Partynacht

Zahlreiche unserer Verfahren befassen sich mit der selben Situation: Neben den klassischen Beziehungstaten werden auch im 21. Jahrhundert noch in erschreckender Regelmäßigkeit Menschen - im Regelfall Frauen - unter Substanzen gesetzt, um die Willensunfähigkeit zur sexuellen Befriedigung auszunutzen. Nicht selten werden hier Gruppenvergewaltigungen zum Tatvorwurf gemacht. 

Die Fälle, in denen Opfer unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss gesetzt und anschließend vergewaltigt werden, stellen eine besonders perfide Form der sexuellen Gewalt dar. Täter nutzen gezielt Substanzen wie Alkohol oder K.O.-Tropfen, um die Willensunfähigkeit ihrer Opfer herbeizuführen und diese gefügig zu machen. Die Beweislage und Rechtslage gemäß § 177 Abs. 2 StGB in Deutschland ist dabei nicht immer in allen Punkten eindeutig, was die Strafverfolgung und den Schutz der Opfer erschwert. 


Zielgerichtete Willensunfähigkeit und rechtliche Einordnung

Täter setzen gezielt Substanzen ein, um die Willensunfähigkeit ihrer Opfer herbeizuführen. Alkohol und K.O.-Tropfen sind besonders wirksam, da sie das Opfer bewusstlos oder zumindest stark eingeschränkt handlungsfähig machen. In diesem Zustand sind die Opfer nicht in der Lage, ihren entgegenstehenden Willen zu sexuellen Handlungen bilden oder zu zeigen, indem sie sich aktiv wehren. Diese Situation stellt dann einen sexuellen Übergriff gem. § 177 Abs.2 StGB dar, wobei der Beischlaf in dieser Konstellation zur Einstufung einer Vergewaltigung führt. Wird zusätzlich Gewalt angewendet, befinden wir uns im Bereich der sexuellen Nötigung.

Es droht eine Mindeststrafe von zwei Jahren.


Beweisbarkeit 

Das Delikt muss jedoch bewiesen werden, was in der Praxis eine erhebliche Hürde darstellt. Es muss also bewiesen werden können, dass das Opfer zum Zeitpunkt der Tat willensunfähig war oder sich bei Willensfähigkeit verbal oder körperlich gewehrt hat. Dies ist beispielsweise durch die Sicherung einer Blutprobe kurz nach der Tat zur Darlegung der Intensität der Substanzen sowie den körperlichen Spuren des Opferkörpers möglich. Das wichtigste Beweismittel ist unterdessen die Zeugenaussage des Opfers. Diese ist jedoch nicht selten geprägt durch erhebliche Erinnerungslücken durch die Substanzen. Führt dies zu ausreichend Lücken im Kerngeschehen oder Zweifeln zur Aussagequalität, kann dieser Umstand zum Freispruch führen.

Gerade K.O.-Tropfen sind eine besondere Gefahr, da sie oft farb- und geruchlos sind und in Getränken unbemerkt verabreicht werden können. Sie wirken schnell und führen zu Gedächtnisverlusten, was die Beweisführung erheblich erschwert. Opfer können sich oft nur bruchstückhaft oder gar nicht an die Tat erinnern, was die Aufklärung und Strafverfolgung schwierig macht.


 

Entscheidende Verteidigungsstrategien der Gegenseite

Unwissenheit über Willensunfähigkeit

Eine häufige Verteidigungsstrategie der Gegenseite besteht darin, zu behaupten, der Täter habe die Willensunfähigkeit des Opfers nicht bemerkt. Oft wird argumentiert, der Täter sei selbst betrunken gewesen und daher nicht in der Lage, den Zustand des Opfers korrekt einzuschätzen. Diese Strategie zielt darauf ab, den Vorsatz des Täters zu negieren und somit eine Strafmilderung oder Freispruch zu erreichen.

Konsens behaupten

Eine weitere Verteidigungsstrategie besteht darin, zu behaupten, das Opfer habe den sexuellen Handlungen zugestimmt. Dies wird besonders schwierig zu widerlegen, wenn das Opfer unter dem Einfluss von Substanzen stand und sich nicht klar erinnern kann. Hier ist es wichtig, alle verfügbaren Beweise und Indizien zu nutzen, um die Behauptung der Gegenseite zu widerlegen.

Täterschaft oder sexuelle Handlung anzweifeln
Sollte es nicht mehr zweifelsfrei rekonstruiert werden können, wer der Täter ist oder ob es tatsächlich zur sexuellen Handlung gekommen ist, führt dies zum Freispruch.
Vor dem Hintergrund der Erinnerungslücken in Verbindung mit der meist zufälligen Begegnung mit dem Täter (beispielsweise in einem Club) kann hier auch nur der kleinste Zweifel zum Freispruch führen. Gerade wenn das Opfer nach der Tat nicht bei der Spurensicherung/der Untersuchung war, können DNA Spuren nicht wieder rekonstruiert werden; Verletzungen oder Spuren, die auf einen Beischlaf deuten könnten, können dann nicht konserviert werden für entsprechende Rückschlüsse.
 

Die Rolle der Opferanwältin

Eine Opferanwältin spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung und Beratung der Betroffenen. Sie hilft dem Opfer, die Ereignisse zu verarbeiten, und steht ihnen bei der Anzeige und während des gesamten Verfahrens zur Seite. Sie informiert über die rechtlichen Möglichkeiten und Rechte des Opfers und sorgt dafür, dass diese bestmöglich wahrgenommen werden. 


  1. Gerechtigkeit und Verantwortung: Der Anwalt muss unterstützen, dass die Angeklagte zur Verantwortung gezogen wird und das Opfer das Gefühl von Gerechtigkeit erfahren.
  2. Opferrechte und aktive Mitwirkung: Die Verfahrensrechte von Opfern und Hinterbliebenen sind strikt geltend zu machen. Es ist von erheblicher Bedeutung, auf das Verfahren mit einzuwirken, um die Betroffenen zu schützen und auf dem Weg zum bestmöglichen Ergebnis zu unterstützen. Denn dies kann nie garantiert werden.
  3. Schadensersatzansprüche: Neben der strafrechtlichen Verfolgung können auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden, um den Hinterbliebenen finanzielle Unterstützung zu sichern.
  4. Emotionale Unterstützung: Der Opferanwalt sollte auch die emotionale Belastung der Familie berücksichtigen und entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen.
  5. Transparenz und Kommunikation: Eine offene und transparente Kommunikation mit dem Opfer ist essenziell, um Vertrauen aufzubauen und den Prozess verständlich zu machen. 
  6. Beweissicherung und Aussage: Eine der größten Herausforderungen in solchen Verfahren ist die Beweissicherung. Aufgrund der Erinnerungslücken des Opfers ist eine detaillierte Aussage oft nicht möglich. Die Opferanwältin arbeitet eng mit Experten zusammen, um medizinische und forensische Beweise zu sichern, die den Drogen- oder Alkoholeinfluss belegen können. Zudem bereitet sie das Opfer auf die Aussage vor und unterstützt es während der Vernehmungen.
  7. Umgang mit Aussage-gegen-Aussage-Situationen: In vielen Fällen stehen die Aussagen des Opfers und des Täters im direkten Widerspruch zueinander, was als Aussage-gegen-Aussage-Situation bezeichnet wird. Hier ist es entscheidend, die Glaubwürdigkeit des Opfers zu stärken. Dies kann durch die Konsistenz der Aussage, unterstützende Zeugenaussagen und weitere Indizien geschehen, die die Darstellung des Opfers untermauern.



Fazit

Strafverfahren, in denen Opfer unter erheblichem Alkohol- oder Drogeneinfluss vergewaltigt wurden, stellen besondere Herausforderungen für alle Beteiligten dar. Die gezielte Herbeiführung der Willensunfähigkeit durch die Täter und die oft unklaren Erinnerungen der Opfer erschweren die Beweisführung erheblich. Die Rolle der Opferanwältin ist dabei von zentraler Bedeutung, um die Rechte und Interessen des Opfers zu wahren und eine bestmögliche Strafverfolgung zu gewährleisten. Die Auseinandersetzung mit den Verteidigungsstrategien der Gegenseite erfordert eine sorgfältige und fundierte Vorbereitung, um die Glaubwürdigkeit des Opfers zu stärken und Gerechtigkeit zu erreichen. 



Was nun?

Im Kern wird es nun neben den Folgen für das Opfer ganz zentral um die Frage gehen, was an den Vorwürfen dran ist. Hierzu wird das Opfer vernommen und mögliche Spuren gesichert und analysiert. Wenn möglich werden weitere Beweise gesammelt. Dem Beschuldigten wird die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Egal in welcher Rolle man sich in dieser Konstellation befindet, sollte man sich dringend anwaltlichen Rat suchen.

Nicht nur ist die Überforderung oft groß, auch kann rechtlich geholfen werden. Mittel und Wege können erörtert und beschritten werden. Es können objektive Beweismittel für die eigenen Aussagen gesucht und gegenläufige Aussagen bewertet werden. Welche Möglichkeiten gibt es zum eigenen Schutz? Welche Möglichkeiten gibt es gegen die Gegenseite? Was ist der beste Weg durch diese Hölle? 


Benötigen Sie eine Anwältin, die Sie in Ihrer Strafsache betreut? 

Rechtsanwältin Hannah Funke - Anwalt für Sexualdelikte

Wir arbeiten schwerpunktmäßig im Sexualstrafrecht. Lernen Sie uns kennen.