Was sind "schädliche Neigungen", von denen alle immer sprechen?

Wenn um Ihnen herum alle von sogenannten "schädlichen Neigungen" sprechen, dann vermutlich, weil sie in ein Jugendstrafverfahren involviert sind. Wenn Anwälte, Staatsanwälte, Richter oder die Jugendgerichtshilfe von schädlichen Neigungen sprechen, geht es im Regelfall um die Frage, ob es für den Beschuldigten erforderlich ist, dass er ins Gefängnis muss. 

Eine Jugendstrafe (Gefängnisstrafe) wird nur verhangen, wenn diese schädlichen Neigungen vorliegen. 

Der Begriff ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) verankert und spielt bei der Beurteilung der Persönlichkeit des jugendlichen Täters und seiner Entwicklung eine entscheidende Rolle. 

Doch was sind schädliche Neigungen und habe ich diese?

Definition und rechtliche Grundlage

Schädliche Neigungen liegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH vor, wenn bei dem jugendlichen bzw. heranwachsenden Täter erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel gegeben sind, die ohne eine längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen und nicht nur „gemeinlästig“ sind oder den Charakter von Bagatelldelikten haben (Eisenberg, JGG, 14. Aufl., § 17 JGG Rn. 18a). 

Schädliche Neigungen werden im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG definiert als Zustände, die ohne längere erzieherische Einwirkung die Gefahr begründen, dass der Jugendliche auch weiterhin Straftaten begehen wird. Es handelt sich um eine tief verwurzelte, in der Persönlichkeit des Jugendlichen liegende Problematik, die ihn dazu prädisponiert, erneut straffällig zu werden. Diese Neigungen können sich in unterschiedlichen Formen äußern, beispielsweise durch wiederholtes aggressives Verhalten, mangelnde Impulskontrolle, Suchtverhalten oder tiefgreifende Sozialisationsdefizite. 


Bedeutung im Jugendstrafverfahren

Die Feststellung schädlicher Neigungen ist vor allem für die Wahl der Sanktionen relevant. Nach § 17 JGG kann eine Jugendstrafe verhängt werden, wenn die Schwere der Schuld dies fordert oder wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass wegen schädlicher Neigungen erzieherische Maßnahmen oder Zuchtmittel nicht ausreichen. Hierbei geht es nicht allein um die Ahndung der begangenen Straftat, sondern vielmehr um die Notwendigkeit einer intensiveren und möglicherweise auch längerfristigen erzieherischen Einflussnahme, um einer weiteren kriminellen Entwicklung entgegenzuwirken.


Feststellung schädlicher Neigungen

Die Feststellung schädlicher Neigungen erfolgt im Rahmen einer umfassenden Persönlichkeitsbeurteilung durch das Gericht, oft unterstützt durch Gutachten von Psychologen oder Psychiatern. Diese Bewertung basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, darunter die bisherige Lebensgeschichte des Jugendlichen, sein Verhalten vor, während und nach der Tat, sein soziales Umfeld, seine schulische und berufliche Situation sowie seine familiären Beziehungen. Zudem spielen frühere strafrechtliche Auffälligkeiten eine Rolle.


Umgang mit schädlichen Neigungen

Das Ziel des Jugendstrafrechts ist es, auf schädliche Neigungen so zu reagieren, dass die soziale Integration des Jugendlichen gefördert und eine weitere Delinquenz verhindert wird. Zu den Maßnahmen gehören nicht nur die Verhängung einer Jugendstrafe, sondern auch therapeutische Interventionen, sozialpädagogische Betreuung und Bildungsangebote. Das Gesetz sieht vor, dass diese Maßnahmen flexibel und individualisiert angewendet werden, um den Bedürfnissen des jeweiligen Jugendlichen gerecht zu werden.


Kritik und Herausforderungen

Der Begriff der schädlichen Neigungen ist nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass er zu vage und subjektiv sei, was zu einer inkonsistenten Rechtsanwendung führen könne. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Jugendliche aufgrund dieser Zuschreibung stigmatisiert werden, was ihre gesellschaftliche Reintegration erschweren könnte.


Fazit

Schädliche Neigungen im Kontext des deutschen Jugendstrafrechts erfordern eine sorgfältige und differenzierte Betrachtung. Während ihre Feststellung entscheidend für die Wahl angemessener Sanktionen ist, müssen die Maßnahmen darauf abzielen, den Jugendlichen positiv zu beeinflussen und ihm Wege aus der Kriminalität aufzuzeigen. Die Herausforderung liegt darin, sicherzustellen, dass diese Bewertungen gerecht und



Ob man selbst schädliche Neigungen hat...

...hängt also davon ab, wer du bist und was du deswegen tust oder getan hast. Es hängt von deiner Entwicklung im Leben ab und welche Entscheidungen du triffst. Es hängt davon ab, wie du dich im Prozess verhalten hast, bei der Tat, nach der Tat und welche Prognose für die Zukunft getroffen werden kann.



Unser Tipp: Wenden Sie sich an eine Jugendstrafverteidigerin. Diese kennt sich mit dem Jugendgerichtsgesetz, den Dynamiken von Jugendstrafverfahren und dem Umgang mit jugendlichen Mandanten aus. Unsere Rechtsanwältin Hannah Funke ist Jugendstrafverteidigerin. Sie begegnet der ganzen Familie und insbesondere der betroffenen Person mit dem vollsten Respekt und Ehrgeiz, das Beste zu bewirken. Je nach Härte des Vorwurfs könnte Ihr Verfahren ohnehin unter Anwaltszwang stehen. Beauftragen Sie also eine Jugendstrafverteidigerin bevor Ihnen durch das Gericht ein anderer fachfremder Pflichtverteidiger beigeordnet wird.