Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr

Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr ist ein ernstzunehmendes Delikt, das in Deutschland gemäß § 222 StGB geahndet wird. Als Anwalt ist es wichtig, die Besonderheiten eines solchen Verfahrens zu kennen, einschließlich der möglichen Beweismittel und der Pflichtverstöße, die zur fahrlässigen Tötung führen können.

Definition und rechtlicher Rahmen

Fahrlässige Tötung im Straßenverkehr liegt vor, wenn eine Person durch eine sorgfaltswidrige Handlung eine andere Person tötet. Dabei handelt es sich um eine Form der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Entscheidend ist, dass der Tod durch eine Verletzung der im Straßenverkehr geltenden Sorgfaltspflichten verursacht wird.


Mögliche Beweismittel

In einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr sind verschiedene Beweismittel von Bedeutung. Dazu gehören:

  1. Zeugenberichte: Aussagen von Zeugen, die den Unfall beobachtet haben, sind oft entscheidend. Sie können Aufschluss über die Fahrweise des Beschuldigten und das Verhalten des Opfers geben.
  2. Einlassung / Aussage des Beschuldigten: Möglicherweise berichtet auch der Beschuldigte, wie sich der Unfall seines erachtens nach entwickelte und dieser ablief. Hieraus könnten sich Ableitungen finden lassen, welche Pflichtverstöße aus beiden Seiten durch den unmittelbaren Unfallbeteiligten vorgelegen haben könnten.
  3. Gutachten: Technische Gutachten sind zentral, um den Unfallhergang zu rekonstruieren. Sie können Informationen über die Geschwindigkeit der Fahrzeuge, den Bremsweg und die Kollisionspunkte liefern. Sie können Ergebnisse dazu liefern, welche Verkehrspflichten möglicherweise verletzt wurden und wie sich der Beschuldigte und das Opfer im Straßenverkehr verhalten haben könnten.
  4. Videoaufnahmen: Dashcam-Aufnahmen oder Überwachungsvideos können den Unfallhergang detailliert dokumentieren und sind oft schlagkräftige Beweismittel.
  5. Polizeiberichte: Diese enthalten oft die ersten Einschätzungen zum Unfallhergang und zur möglichen Schuldfrage. Sie basieren auf den am Unfallort gesammelten Spuren und den ersten Befragungen.
  6. Medizinische Berichte: Obduktionsberichte und ärztliche Gutachten sind wichtig, um die genaue Todesursache zu bestimmen und einen kausalen Zusammenhang zwischen der Handlung des Beschuldigten und dem Tod des Opfers herzustellen.



Pflichtverstöße und ihre Relevanz

Fahrlässigkeit im Straßenverkehr wird oft durch Verletzung spezifischer Pflichten verursacht.
Bei fahrlässiger Tötung geht es gerade nicht um den Vorwurf, dass der Beschuldigte durch die eigenen Handlungen die Tötung des Opfer für möglich hielt und trotz dessen sein Verhalten auf diese konkrete Art und Weise ausrichtete. Auch geht es in diesem Vorwurf nicht um absichtliches Tötungsverhalten des Beschuldigten.

Vielmehr muss ermittelt werden, welche Pflichten der Beschuldigte nachweislich verletzt haben könnte, ob der Tod durch diesen Pflichtverstoß verursacht wurde, ob der Pflichtverstoß relevant war, ob der Tod vorhersehbar war bei derartigem Pflichtverstoß, ob der Tod auch ohne den Pflichtverstoß eingetreten wäre, und vieles mehr.

Das Verhalten des Todesopfers spielt an dieser Stelle entsprechenderweise eine erhebliche Rolle, denn beispielsweise ist vorschriftswidriges Verhalten des Opfers im Straßenverkehr für den Beschuldigten gerade nicht vorhersehbar und beeinträchtigt die eigene Verantwortbarkeit.
 
 Die wichtigsten Pflichtverstöße sind:

  1. Geschwindigkeitsüberschreitung: Ein häufiger Grund für Unfälle mit Todesfolge ist das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Hier kann die Verteidigung versuchen, mildernde Umstände wie schlechte Sichtverhältnisse oder unerwartete Hindernisse geltend zu machen.
  2. Alkohol und Drogen: Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stellt eine grobe Verletzung der Sorgfaltspflichten dar. Bei positivem Befund ist die Verteidigung oft schwierig, es sei denn, es können Verfahrensfehler bei der Blutentnahme oder der Analyse nachgewiesen werden.
  3. Missachtung von Verkehrsregeln: Dazu gehören das Überfahren einer roten Ampel, das Nichtbeachten von Vorfahrtsregeln oder das verbotene Überholen. Hier ist es wichtig zu prüfen, ob der Beschuldigte möglicherweise aufgrund von Notwehr oder Notstand gehandelt hat.
  4. Ablenkung: Ablenkungen durch Mobiltelefone oder andere Tätigkeiten während des Fahrens sind häufige Unfallursachen. Die Verteidigung kann hier aufzeigen, dass die Ablenkung minimal war oder dass der Unfall auch ohne diese Ablenkung unvermeidbar gewesen wäre.



Verteidigungsstrategien

Die Verteidigung in einem Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr erfordert eine gründliche Analyse aller Beweismittel und eine sorgfältige Prüfung der Umstände des Unfalls. Zu den möglichen Verteidigungsstrategien gehören:

  1. Anfechtung der Beweismittel: Technische Gutachten und Zeugenaussagen können fehlerhaft sein. Eine gründliche Prüfung und gegebenenfalls die Einholung eines Zweitgutachtens sind oft entscheidend.
  2. Kausalitätsprüfung: Es muss nachgewiesen werden, dass der Pflichtverstoß des Beschuldigten tatsächlich ursächlich für den Tod des Opfers war. Hier kann es hilfreich sein, alternative Unfallursachen aufzuzeigen.
  3. Mildernde Umstände: Faktoren wie eine Notlage, ein plötzliches medizinisches Problem des Fahrers oder unvorhersehbare äußere Umstände können als mildernde Umstände vorgebracht werden.
  4. Rechtliche Widerlegung eines Pflichtverstoßes: Ein Pflichtverstoß unterliegt juristischen Anforderungen. Hierzu sind zahlreiche Details von erheblicher Bedeutung. Die Behandlung dieser Details und die sich aufwerfenden Rechtsfragen können einen Pflichtverstoß auf rechtlicher Ebene zu Fall bringen.
  5. Verfahrensfehler: Jegliche Fehler im polizeilichen oder gerichtlichen Verfahren, etwa bei der Beweissicherung oder der Zeugenvernehmung, können zur Entlastung des Beschuldigten beitragen.
  6. Darlegung von Verkehrsfehlern des Todesopfers: Wie bereits dargelegt, hat das Verhalten des Todesopfers eine erhebliche Auswirkung auf die eigene Verantwortbarkeit des Beschuldigten. Und das liegt nicht daran, dass an dieser Stelle das Opfer zum Täter gemacht werden soll, sondern dass bei derartigen Vorwürfen die Gesamtkonstellation mitgewertet werden muss, um zu ergründen, ob gerade nicht vorsätzliches Verhalten das Gewicht hat, zu einer strafbaren Verwerflichkeit zu führen. Es gibt Unfälle, bei denen quasi niemand Schuld hat und damit eine Verurteilung gerade nicht in Betracht kommt.


Rolle eines Verteidigers

In diesen Verfahren geht es im Regelfall zentral um die Frage der Fahrlässigkeit. Hierbei sind nicht nur die Beweisbarkeit von Verkehrsfehlern entscheidend, sondern oftmals auch bedeutende Rechtsfragen. Es stehen Fragen zu Kausalitäten im Raum, Pflichtwidrigkeitszusammenhänge, objektive Zurechnungen, Vorhersehbarkeiten, rechtmäßige Alternativverhalten und weitere Rechtsfragen, die eine juristische Ausbildung erforderlich machen. Das ist auch der Grund, wieso derartige Vorwürfe unter Anwaltszwang stehen. Auch müssen im Regelfall Gutachten analysiert werden können, rechtsmedizinische Problemstellungen herausgearbeitet werden und im Zweifel die geeignete Strafzumessung aufbereitet werden. 
All dies erfordert erfahrenes und präzises juristisches Handwerk und sollte daher Anwälten für Gewaltdelikte überlassen werden.

Auch wenn Beschuldigte oft selbst mit den Unfallfolgen stark zu kämpfen haben - ob körperlich oder psychisch, so sollte ein Verteidiger niemals bei Verfahrensbeginn vorschnell Hoffnungen streuen. Wir wissen, dass gerade diese Vorwürfe nach mentaler Entlastung lechzen. Jedoch kann kein Verfahren bei Verfahrensbeginn seriöserweise vorhergesehen werden. In derartigen Verfahren haben kleinste Beweisabweichungen erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung von den zuvor aufgeführten Rechtsfragen. Beweismittel können erst im Prozess annähernd sinnvoll beleuchtet werden; es benötigt die Hinzuziehung und Analyse von Sachverständigen und erst mit Entwicklung des Prozesses können sich Tendenzen ergeben. 
Unsere Kanzlei ist absoluter Gegner von falschen Hoffnungen und Versprechungen. Wir wissen, wie einfach es sein kann, hierdurch ein gutes Gefühl zu vermitteln, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Jedoch ist gerade dies der Trugschluss - Vertrauen Sie einem Anwalt mit Kompetenz - jemand, der weiß, was er tut. Selbstredend steht dabei auch Ihre Gesundheit im Vordergrund, aber nicht auf diesem falschen Weg.

 

Rolle eines Hinterbliebenenanwalts

Wie auch ein Strafverteidiger hat der Anwalt, den sich Hinterbliebene (Familie, Angehörige des Todesopfers) nehmen können - ein sogenannter Nebenklagevertreter - dieselben Korrektivaufgaben. Auch auf unserer Seite soll ermittelt werden, wie der Hergang sich gestaltete, um die erforderliche Gerechtigkeit für das Opfer zu schaffen. Es soll natürlich verhindert werden, dass sich der Beschuldigte aus der eigenen Verantwortung herauswindet - soweit sie denn besteht. Hierzu wird ebenfalls auf die Beweissituation eingewirkt, zu Rechtsfragen Stellung bezogen und Ähnliches. Es geht darum, die potentiellen Interessen des Opfers über dessen Angehörigen zu vertreten und verwerfliches Verhalten des Beschuldigten entsprechend zu sühnen. Es geht darum, nicht nur Publikum des Verfahrens zu sein, sondern aktiv mitzuwirken. Am Ende ist der Hinterbliebenenanwalt der einzige tatsächliche Interessenvertreter des Todesopfers - denn Gericht und Staatsanwaltschaft sind zur Neutralität verpflichtet.


Fazit

Ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr erfordert von allen Anwälten detailliertes Wissen über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die möglichen Beweismittel und die Pflichtverstöße. Durch eine sorgfältige Analyse und eine strategische Herangehensweise kann eine effektive Verteidigung entwickelt werden, um die Interessen der Mandanten bestmöglich zu vertreten. 


Rechtsanwältin Hannah Funke - Anwalt für Gewaltverbrechen 

Wir arbeiten schwerpunktmäßig im Bereich der Gewaltverbrechen und Kapitalverbrechen. Lernen Sie uns kennen.